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Forschung
NRW als nationale Wasserstoff-Drehscheibe
Wasserstoff soll im großen Maßstab eingesetzt werden, damit Deutschland treibhausgasneutral wird. Eine Jülicher Studie zeigt, dass Nordrhein-Westfalen (NRW) eine entscheidende Rolle bei der künftigen nationalen Wasserstoffversorgung spielt.
Deutschland möchte seinen Treibhausgas-Ausstoß bis Mitte des Jahrhunderts nahezu auf null senken. Damit das gelingt, muss auch das Energiesystem des bevölkerungsreichsten Bundeslandes NRW in allen Bereichen umgebaut werden – das betrifft den Energieumwandlungssektor selbst ebenso wie die Endverbraucher in Industrie, Verkehr und Gebäuden. Den Weg dahin hat die NRW-Landesregierung in ihrer Wasserstoff-Roadmap NRW festgelegt. In die Roadmap eingeflossen sind die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Begleitstudie von Jülicher Energiesystemforschenden um Prof. Detlef Stolten. Sie haben diesen umfassenden Umbau mithilfe einer ganzen Familie von Computermodellen Schritt für Schritt berechnet – unter der Vorgabe, dass er möglichst wenig kosten soll.
„NRW verfügt schon heute über eine hervorragende Energieinfrastruktur, die sich auf Wasserstoff umstellen lässt.“
Prof. Detlef Stolten
Die Rechenergebnisse zeigen, dass Deutschland 2050 rund fünfmal so viel Wasserstoff benötigen wird wie heute, nämlich 9 bis 13 Millionen Tonnen. Ein Drittel der Nachfrage wird auf NRW entfallen. Die Industrie dort wird den Wasserstoff einsetzen, um Stahl, Zement und chemische Grundstoffe herzustellen, ohne kohlenstoffhaltige Energieträger und Ressourcen zu verwenden. Zum anderen dient der Wasserstoff als Kraftstoff für Brennstoffzellen-Lkw und -Pkw. Industrie und Verkehr machen 2050 laut Studie jeweils rund die Hälfte der Wasserstoffnachfrage in NRW aus.
Gemäß den Berechnungen wird das Land im Jahr 2050 nur etwa zehn Prozent seines Bedarfs selbst produzieren können. Der Grund: Es verfügt nicht über genügend geeignete Standorte für Windkraft- und Photovoltaikanlagen, um den erneuerbaren Strom zu erzeugen, der gebraucht wird, um Wasserstoff herzustellen.
Daher ist es wichtig, NRW über Pipelines insbesondere an die Nordseeküste anzubinden. Denn dort siedeln sich viele inländische Wasserstoff-Produktionsanlagen an, und an dortigen Häfen werden Wasserstoffimporte aus sonnenreichen Regionen wie Afrika (siehe hier) ankommen. Auch die Niederlande werden ein wichtiger Lieferant, darum sollten ebenfalls Pipelines zwischen NRW und den Niederlanden gebaut werden, empfiehlt die Studie.
Die Jülicher Studie sieht NRW in einer zentralen Rolle beim Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Deutschland. NRW kommt beim Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur in Deutschland eine zentrale Rolle zu. „Diese Infrastruktur wird Norddeutschland und die Niederlande mit Südwestdeutschland verbinden und NRW zu einer Art nationaler Wasserstoff-Drehscheibe machen“, so Detlef Stolten. NRW könne davon profitieren, dass es heute schon über hervorragend ausgebaute Erdgasnetze und Gasspeicher verfügt, die sich auf Wasserstoff umstellen lassen.
Frank Frick
Mehr zur Wasserstoffforschung in Jülich:
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go.fzj.de/H2-Roadmap-NRWModellregion Rheinisches Revier
Das Forschungszentrum Jülich baut im Rheinischen Revier ein Helmholtz-Cluster für Wasserstoffwirtschaft auf, kurz HC-H2 genannt. Es soll neue Technologien für grünen Wasserstoff entwickeln und so dazu beitragen, dass in NRW, wie in der Wasserstoff-Roadmap des Landes angekündigt, eine zukunftsweisende Wasserstoffwirtschaft mit 130.000 neuen Arbeitsplätzen entsteht. Der Bund fördert das Leuchtturmprojekt HC-H2 über einen Zeitraum von rund 17 Jahren mit 860 Millionen Euro aus Mitteln für den Strukturwandel der Kohleregionen. Auch das Land NRW beteiligt sich am Aufbau.
Das Cluster umfasst alle Aspekte einer künftigen Wasserstoffwirtschaft: die Produktion von grünem – also CO2-frei erzeugtem – Wasserstoff, seine Nutzung und die Logistik. Dabei konzentriert es sich auf solche Technologien, die auf existierende oder schnell und günstig installierbare Infrastrukturen für Transport und Lagerung zurückgreifen, etwa Pipelines und Tanklager.
Im ganzen Rheinischen Revier sollen Demonstrationsanlagen entstehen. Die Forschung wird unter anderem in einem neuen Jülicher Institut für Nachhaltige Wasserstoffwirtschaft angesiedelt. „Durch die enge Verknüpfung von Forschungs- und Demonstrationsvorhaben wollen wir den Wissenstransfer von der Forschung in die Praxis beschleunigen“, sagt Prof. Wolfgang Marquardt, Vorstandsvorsitzender des Forschungszentrums. Er ist überzeugt, dass HC-H2 das Rheinische Revier als attraktiven Standort für innovative Energieunternehmen, Industrieansiedlungen und Gründer stärken wird.
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