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Forschung
Ein Schwamm fürs Treibhausgas
Forschung
Ein Schwamm fürs Treibhausgas
Victor Selmert zeigt den Speicher für Kohlenstoffdioxid.
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Feinste Fasern aus Kohlenstoff können CO2 selektiv binden, um das Treibhausgas effizient aus industriellen Abgasen zu entfernen.
Was Victor Selmert in den Händen hält, sieht aus wie ein schlichtes Stück schwarzer Pappe. „Dieses Material könnte dabei helfen, die Erderwärmung in Schach zu halten“, erklärt der Forscher vom Institut für Energie- und Klimaforschung (IEK-9). „Denn um den globalen Temperaturanstieg auf anderthalb Grad Celsius zu begrenzen, wird es nötig sein, Kohlendioxid gezielt einzufangen – und zwar am besten, bevor es sich in der Atmosphäre verteilt, also zum Beispiel aus Abgasen von Zementwerken, Glashütten und Biogasanlagen.“
Bild oben: Victor Selmert zeigt den Speicher für Kohlenstoffdioxid.
Ansgar Kretzschmar (l.) und Victor Selmert suchen nach Materialien, um CO2 aus Abgasen zu entfernen. Dazu sei das dunkle, brüchige Material hervorragend geeignet: „Es saugt das unerwünschte Treibhausgas auf wie ein Schwamm. Andere Bestandteile des Abgasstroms bleiben daran kaum haften“, so Ansgar Kretzschmar, Doktorand am IEK-9. Einmal vollgesogen, kann es das CO2 später in Reinform wieder abgeben, um das Gas entweder einzulagern oder mithilfe von regenerativem Strom in wertvolle Chemikalien umzuwandeln.
Das Material ist damit einem etablierten CO2-Fänger deutlich überlegen: der Aktivkohle. Diese ist zwar preiswert und leicht zu regenerieren. Allerdings saugt sie auch andere Verbindungen aus dem Abgasstrom auf, worunter die Trennwirkung leidet. Um das Kohlendioxid weiterverarbeiten zu können, muss es jedoch in möglichst reiner Form gewonnen werden.
Das neuartige Material aus Jülich besteht ebenfalls aus Kohlenstoff. Doch sein Geheimnis verbirgt sich in seinem inneren Aufbau: „Es besteht aus extrem dünnen Fasern aus Kohlenstoff, bloß 200 Nanometer im Durchmesser. Das ist gut hundertmal dünner als ein menschliches Haar“, erläutert Victor Selmert. Die Vielzahl der Nanofasern ergibt eine hohe Gesamtoberfläche; dadurch können sie große Mengen an Kohlendioxid binden. Möglich wird das durch eine besondere Herstellungsmethode: das Elektrospinning.
„Dafür wird eine Kunststofflösung unter Hochspannung in einem elektrischen Feld versponnen. So erhalten wir ein sehr feines Geflecht aus filigranen Polymerfasern“, erklärt Selmert. Unter Ausschluss von Sauerstoff wird das Polymer anschließend bei Temperaturen von bis zu 1.200 Grad Celsius zu Kohlenstoff umgewandelt. „Dabei entstehen schlitzförmige dünne Poren in der Oberfläche“, erläutert Ansgar Kretzschmar. „In die passen die CO2-Moleküle genau hinein. Und genau das ist der Grund, warum unser Material so selektiv an Kohlendioxid bindet.“ Diese beiden Eigenschaften, die große Oberfläche und die passgenauen Poren, machen das Material zu einem überlegenen CO2-Schwamm.
Arndt Reuning
Einen längeren Beitrag dazu können Sie hier lesen:
go.fzj.de/CO2-Abtrennung© 2022 Forschungszentrum Jülich