Luftbild vom Fichtenwald bei Kleinhau in der Eifel – die durch Trockenheit und Borkenkäfer bereits stark geschädigten Bäume heben sich deutlich ab.
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Forschung
Sorgenkind Wald
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Blickt mit Sorge auf das Baumsterben: Nicolas Brüggemann
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Das dritte Jahr in Folge ist es zu trocken und warm in Deutschland. Darunter leiden viele Bäume, insbesondere Fichten. Eine Folge: Sie sind anfälliger für Schädlinge. Jülicher Forschende beobachten die Entwicklung in der Eifel und messen die Auswirkungen: etwa auf den CO2-Gehalt in der Atmosphäre.
Wenn Nicolas Brüggemann vom Wald bei Kleinhau aus über die Nordeifel blickt, macht er sich Sorgen: „Früher konnten wir vor lauter Bäumen keine 100 Meter weit sehen, inzwischen sehe ich bei guter Sicht das Siebengebirge – und das sind immerhin 60 Kilometer Luftlinie.“ Für den Leiter der Jülicher Forschungsgruppe Plant-Soil-Atmosphere Exchange Processes und Professor für Terrestrische Biogeochemie an der Universität Bonn steht außer Frage: Der Wald in der Nordeifel wird lichter. „Das liegt vor allem an einer Kombination von Schadfaktoren, die es so noch nicht gegeben hat: Sie reichen von Trockenheit und Hitze über Waldbrände und Stürme bis zum Schädlingsbefall.“ Die Folge: Bäume sterben, viele müssen abgeholzt werden.
Bild oben: Blickt mit Sorge auf das Baumsterben: Nicolas Brüggemann
Am schlimmsten betroffen sind die Fichten. Trockenheit und der Borkenkäfer machen diesem Flachwurzler besonders zu schaffen. Zumal der Borkenkäfer mit den milderen Wintern allmählich die Höhenmeter im Mittelgebirge nach oben wandert. In Kleinhau auf etwa 400 Meter Höhe – dort untersuchte die Helmholtz-Initiative MOSES von Mai bis Oktober 2020, wie sich die Trockenheit auf Wald und Boden auswirkt – hat der Waldbesitzer fast den kompletten Fichtenbestand abholzen lassen, zu stark hatte der Borkenkäfer den Nadelbäumen zugesetzt. Am Wüstebach im Nationalpark Eifel auf rund 600 Meter Höhe, wo die Jülicher Forschenden einen Dauermessstandort betreiben, sind die Schäden durch den Käfer dagegen noch überschaubar.
Aber nicht nur Fichten haben erhebliche Probleme. „Die Buchen im Nationalpark haben im August 2020 farblich schon so ausgesehen wie sonst im Herbst. Und die Eichen leiden – entweder unter Insekten oder Pilzen“, sagt Brüggemann. Von einem Waldsterben zu sprechen, empfindet er trotzdem als irreführend: „Nicht der Wald als Ökosystem stirbt, sondern bestimmte Baumarten verschwinden.“
Betroffene Flächen sollten aber wieder aufgeforstet werden, um deren Funktion für Klima und Umwelt zu erhalten. Viele Förster sind allerdings verunsichert, welche heimischen Baumarten sie noch anpflanzen sollen. Eine Alternative sind fremde Baumarten. Burkhard Priese, Forstverwalter für den Wald in Kleinhau, setzt jetzt vor allem auf die heimische Esskastanie und die nordamerikanische Roteiche, da diese weniger anfällig für Schädlinge, Hitze und Trockenheit sind. „Wälder wie in Kleinhau, die wirtschaftlich genutzt werden, müssen sofort wieder aufgeforstet werden. Wir können nicht abwarten, ob und was da vielleicht auf natürliche Weise nachwächst“, erklärt er.
Alexander Graf hat gemessen, wie sich der CO2-Austausch zwischen Boden und Atmosphäre nach der Entfichtung in Kleinhau entwickelt hat. Für die Jülicher Forschenden bot Kleinhau die Gelegenheit, die Auswirkungen von Dürre und Entfichtung sozusagen live zu verfolgen. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen von vier weiteren Helmholtz-Zentren erfassten sie während der MOSES-Messkampagne etwa flächendeckend die Bodenfeuchte, ermittelten den Austausch von CO2 und Wasserdampf zwischen Boden und Atmosphäre und erstellten Wärmebilder aus der Luft. Die Daten liefern eine gute Ergänzung zu den umfangreichen Messungen am Wüstebach, wo Jülicher bereits seit 2009 Daten sammeln. Der Standort ist Teil des deutschlandweiten Beobachtungsnetzwerks TERENO, einer weiteren Helmholtz-Initiative zur Erforschung von Erde und Umwelt.
Am Wüstebach hatte die Nationalparkverwaltung schon im Herbst 2013 ein etwa elf Hektar großes Areal entfichtet. Die Idee: die Umwandlung der Fichten-Monokultur in einen naturnahen Laubwald zu beschleunigen. „Das Abholzen hat sich massiv auf Boden, Wasserqualität, Austauschprozesse und die Zusammensetzung von Flora und Fauna ausgewirkt. Das bietet uns einen Einblick in die Regeneration des Waldbestandes“, erklärt Dr. Alexander Graf vom Institut für Bio- und Geowissenschaften (IBG-3). Für die Kohlendioxidbilanz des Areals war die Entfichtung zum Beispiel zunächst ein herber Schlag.
Dürre bremst Regeneration
Normalerweise entnehmen Wälder der Atmosphäre CO2. Ohne Wald wurde die Fläche hingegen von einer Kohlenstoffsenke zu einer Quelle, denn der Boden verarbeitet weiterhin den Humus aus abgestorbenen Tier- und Pflanzenteilen und gibt auf diese Weise CO2 ab. Bis die Fläche wieder zu einer Senke wird, werden noch einige Jahre vergehen. Allerdings waren die Jülicher Experten erstaunt, wie schnell sich die Fläche in den ersten Jahren erholte – bis die Dürreperioden kamen. „Derzeit stagnieren die Pflanzen im Wachstum und nehmen weniger CO2 auf als in den Jahren zuvor“, so Alexander Graf.
1Prozent
betrug der Rückgang der CO2-Entnahme durch Landökosysteme im Jahr 2018.
Dennoch: Im Vergleich zu anderen Ökosystemen hat der Wald die Dürre noch am besten abgefangen: Im Mittel ging 2018 die CO2-Entnahme durch Landökosysteme um 18 Prozent zurück. Bei Äckern, Grünländern und Mooren fiel das Minus mit bis zu 40 Prozent deutlich stärker aus, beim Wald hingegen waren es nur acht Prozent. „Das sollte man aus verschiedenen Gründen nicht überbewerten, aber viel Wald zu haben ist gut, wenn es darum geht, viel CO2 aufzunehmen“, resümiert Graf.
Katja Lüers/Christian Hohlfeld
Bis August 2020 wurde etwa 90 Prozent der Fichten des rund 328 Hektar großen Privatwaldes abgeholzt.
Forschende von vier Helmholtz-Instituten – darunter der Jülicher Experte Nicolas Brüggemann – haben in Kleinhau untersucht, wie sich die Trockenheit auf Wald und Boden ausgewirkt hat. Um etwa den Austausch von Energie und Spurengasen zwischen Landoberfläche und der Atmosphäre zu messen,wurde ein sogenannter Eddy-Kovarianz-Turm errichtet.
Mithilfe einer Drohne machten die Forschenden Wärmebilder und Multispektralaufnahmen aus der Luft.
Der Jülicher Forscher Heye Bogena erklärt, wie ein stationärer Cosmic-Ray-Sensor funktioniert. Dieser misst Neutronen in Bodennähe. Vereinfacht gesagt gilt: Je mehr Neutronen gemessen werden, desto trockener ist ein Boden.
Mit dem mobilen Cosmic-Ray-Rover können Heye Bogena und sein Jülicher Kollege Jannis Jakobi (l.) die Bodenfeuchte quasi im Vorbeifahren ermitteln.
Auf der gerodeten Fläche bei Kleinhau soll bald ein neuer Wald stehen.
Burkhard Priese, Forstverwalter für den Wald in Kleinhau, setzt bei der Wiederaufforstung vor allem auf die heimische Esskastanie und die nordamerikanische Roteiche.
Bereits 2013 hatte der Nationalpark Eifel den Wald am Wüstebach entfichtet. Dort entsteht nun ein Mischwald. Durch die Dürrejahre stagnierte allerdings das Wachstum der neuen Bäume.
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