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Titelthema
Arbeiten im Bioreaktor
Bioreaktoren sind wie kleine Fabriken. Dort rackern aber keine Arbeiter an schweren Maschinen, sondern winzige Bakterien, die eine erstaunliche Vielfalt von Stoffen verwerten und produzieren. Um maximale Leistung zu erbringen, müssen sich die Winzlinge besonders wohlfühlen. Sie benötigen dazu spezielle Lebensbedingungen.
Nährstoffe
Viele Bakterien mögen Zucker, alle benötigen Spurenelemente und Vitamine. Die Nährstoffe müssen regelmäßig zugeführt werden.Schaumbildung
Schaum entsteht zum Beispiel durch das Rühren. Er kann die Abluftfilter verstopfen und muss daher chemisch oder mechanisch zerstört werden.Temperatur
Jedes Bakterium hat eine eigene Wohlfühltemperatur. Ist es zu warm, schädigt das die Bakterien, ist es zu kalt, sinkt der Stoffwechsel und damit die Produktivität.Durchmischung
Damit Bakterien überall im Reaktor ausreichend Nährstoffe und Sauerstoff erhalten, wird die Flüssigkeit ständig durchmischt – meist durch Rühren, manchmal durch Einblasen von Gas.Ernten
Um an die gewünschten Stoffe zu kommen, wird über ein Ventil Flüssigkeit abgezapft, aus der die Stoffe herausgefiltert werden.Reaktormaterial
Meist Glas oder Stahl – das Material muss stabil und gut zu reinigen sein. Zwischen den Produktionen wird der Reaktor sterilisiert, damit dort nur die gewünschten Bakterien wachsen.Sauerstoff
Zahlreiche Bakterien brauchen Sauerstoff zum Atmen; über eine Frischluftzufuhr wird der Sauerstoffgehalt geregelt.pH-Wert
Bakterien benötigen auch einen individuellen Wohlfühl-pH-Wert. Dazu wird der pH-Wert ständig gemessen und gegebenenfalls nachjustiert.Erfahren Sie mehr zu den Lebensbedingungen im Bioreaktor, indem Sie die einzelnen Bestandteile anklicken.
Aus klein wird groß
Neue Verfahren in Bioreaktoren fangen ganz klein an: Forschungsreaktoren haben oft nur das Volumen eines Maßkrugs. Der Sprung in eine mitunter hunderttausendfach größere Industrieanlage läuft jedoch nicht immer reibungslos. Die Durchmischung in einem großen Kessel ist beispielsweise schwieriger und damit die konstante Nährstoffversorgung und Temperatur an jeder Stelle. Wechselnde Bedingungen der Umgebung können jedoch zu unerwünschten Reaktionen der Bakterien führen. Forschende versuchen daher schon im Labormaßstab die Bakterien auszusortieren, die zu empfindlich auf Schwankungen reagieren.
Lesen Sie dazu auch:
Jülich-Blog-Eintrag: Wasserglas oder Schwimmbecken
<link einzelzimmer-fuer-bakterien _blank hyperlink2>effzett 2-2019: Einzelzimmer für BakterienReaktorgrößen
in Litern
1–10
im Labor
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10–300
Testanlage für die Industrie
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500–1.500.000
industrielle Produktion
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< 20.000.000
Abwasserbioreaktor
zum Vergleich:
≈ 2.500.000
olympisches Schwimmbecken
Bunte Belegschaft
Forschung und Industrie züchten in Bioreaktoren unterschiedliche Bakterien für verschiedene Zwecke. Jülicher Forschende setzen unter anderem auf diese Arbeiter.
Corynebacterium glutamicum
ist ein wichtiges Arbeitspferd der Forschung und der biotechnologischen Industrie. Mit seiner Hilfe werden jährlich mehrere Millionen Tonnen Aminosäuren für Infusionslösungen und Futtermittelzusätze hergestellt. Das Bakterium mag Glukose und Temperaturen um die 30 Grad Celsius und einen neutralen pH-Wert von 7. Und es hält mehrere Minuten ohne Sauerstoff aus, ohne dass seine Leistung nachlässt. Jülicher Forschende nutzen es, um aus Pflanzenabfällen den für die Industrie interessanten Rohstoff Xylonat herzustellen. Dazu haben sie ihm die Spezialfähigkeit eines anderen Bakteriums übertragen: Caulobacter crescentus (siehe hier).Pseudomonas putida
Ein Bodenbakterium, das sogar von Koffein leben kann. Begehrt sind bei Biotechnologen seine Fähigkeiten, erdölbasierte Moleküle zu knacken und so selbst schwierige Stoffe wie Polyurethan bakteriell zu recyceln. Aus diesem Stoff werden unter anderem Kaltschaummatratzen oder Sportschuhe hergestellt. In Jülich soll das Bakterium zum Beispiel helfen, PET abzubauen.Escherichia coli
Ein Darmbakterium, das beim Menschen zum Beispiel für die Produktion von Vitamin K zuständig ist. Biotechnologen nutzen den Organismus, um Feinchemikalien, Enzyme oder Arzneistoffe, etwa Insulin, herzustellen. Auch Jülicher Forschende produzieren damit Enzyme, die zum Beispiel in der Wirkstoffherstellung als Biokatalysatoren eingesetzt werden können.© 2022 Forschungszentrum Jülich