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Frühzeitig auf ein Klimaziel festlegen
Drei Fragen an Martin Robinius, Leiter der Studie zum Energiesystem 2050
Wie beurteilen Sie das aktuelle Klimaschutzprogramm der Bundesregierung im Lichte Ihrer Studienergebnisse?
Einige Maßnahmen des Pakets weisen in die richtige Richtung. Dazu zählen etwa diejenigen, die eine effizientere Nutzung der Energie in Gebäuden oder in der Industrie fördern. Einige andere Maßnahmen, wie zum Beispiel die vorgeschlagene Abstandsregelung von Windkraftwerken, reichen nach unseren Analysen nicht aus, um den benötigten Zubau von Windkraftwerken zu erreichen. Schließlich gibt es auch Elemente im Klimaschutzprogramm, die unseren Erkenntnissen widersprechen, etwa zur künftigen Bedeutung der Biomasse. Diese spielt in unseren Modellen eine entscheidende Rolle (s. Ergebnisse Energiequellen). Nach unseren Berechnungen müsste sich die Anbaufläche für Biomasse verdoppeln. Das Klimaschutzprogramm erwartet dagegen keine Ausweitung der Anbaufläche für Bioenergie.
Sie haben das deutsche Energiesystem auch auf eine lediglich 80-prozentige Treibhausgas-Emissionsminderung im Jahr 2050 hin optimiert. Mit welchem Ergebnis?
Die gesamten Mehrkosten bis 2050 betragen nur rund ein Drittel derjenigen für eine 95-prozentige Reduktion. Mit dem 80-Prozent-Ziel wird Deutschland aber nicht das Pariser Klimaschutzabkommen einhalten, das eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius vorsieht. Unabhängig davon sollte sich Deutschland frühzeitig festlegen, welches Ziel es anstrebt, da der Umbau des Energiesystems sich je nach Ziel unterscheidet. So sind beispielsweise neue Erdgaskraftwerke und erdgasbefeuerte Heiztechnologien für die 80-prozentige Emissionsminderung wirtschaftlich vorteilhaft, doch ist mit ihnen das 95-Prozent-Ziel nicht zu erreichen. Für Letzteres sind unter anderem Wasserstofftechnologien entscheidend.
Dr.-Ing. Martin Robinius ist Abteilungsleiter am Institut für Energie- und Klimaforschung, Bereich Technoökonomische Systemanalyse (IEK-3)
Kann man der Energiekosten-Vorhersage der Computermodelle tatsächlich trauen?
Aus unserer Sicht, ja. Computermodelle können die Zukunft zwar nicht vorhersehen – möglicherweise kommt eine Technologie auf, die heute noch gar nicht existiert. Doch das aktuelle Energiesystem ist bekannt. In diesem können unsere Modelle Wechselbeziehungen aufzeigen. Darüber hinaus berücksichtigen unsere Computermodelle technologische Lernkurven: Je höher die produzierte Stückzahl etwa einer energietechnischen Anlage ist, umso mehr sinkt der Stückpreis. Wir haben auch analysiert, wie stark es ein Ergebnis beeinflusst, wenn sich die Eingabegrößen ändern. Wir haben zum Beispiel die Kosten für den Ausbau von Windkraftanlagen oder Wasserstoffpipelines variiert – erstaunlicherweise hat das kaum einen Einfluss auf die Zusammensetzung des optimalen Energiesystems.
Die Fragen stellte Frank Frick.
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