Dass sich Wasser so gut in der Mikrowelle erhitzen lässt, liegt an den elektrischen Ladungen in Wassermolekülen. In Summe ist ein Wassermolekül neutral, da sich die positiven und negativen Ladungen in seinem Inneren aufheben. Allerdings sind die elektrischen Ladungen im Innern nicht gleichmäßig verteilt. Das hängt mit den Grundbausteinen des Wassermoleküls zusammen: Der positiv geladene Kern des Sauerstoffatoms (O) ist größer als der der beiden Wasserstoffatome (H). Daher zieht der Sauerstoffatomkern die negativ geladenen Elektronen, die alle Atomkerne umgeben, näher zu sich hin. Die Folge: An der Seite des Sauerstoffatoms ist ein Wassermolekül eher negativ geladen, bei den Wasserstoffatomen eher positiv.
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Forschung
Mikrowelle statt Backofen
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Mikrowelle statt Backofen
Der Materialwissenschaftler Olivier Guillon sieht großes Potenzial in der Werkstoffverarbeitung mit elektrischen und magnetischen Feldern.
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Mit weniger Energie mehr erreichen – das ist ein wichtiges Ziel der Energiewende. Neue Verfahren könnten den Verbrauch bei besonders energieintensiven Prozessen in der Industrie reduzieren – und zwar mithilfe von elektrischen und magnetischen Feldern.
Jedes Kind kennt sie: die Mikrowelle. Sie steht in fast jeder modernen Küche. Schnell und unkompliziert lässt sich mit dem Gerät ein Becher Milch erwärmen. Außen wird nichts heiß und auch innen bleibt der Mikrowellenherd kalt. Der Trick dahinter: Elektromagnetische Felder bringen die Wassermoleküle in der Milch zum Schwingen. Durch die Reibung der Wassermoleküle aneinander entsteht Wärme, die Milch wird heiß.
Bild oben: Der Materialwissenschaftler Olivier Guillon sieht großes Potenzial in der Werkstoffverarbeitung mit elektrischen und magnetischen Feldern.
Prof. Olivier Guillon, Direktor am Institut für Energie- und Klimaforschung (IEK-1), möchte dieses Prinzip nutzen, um Energie zu sparen – aber nicht in der Küche, sondern bei Produktionsprozessen in der Industrie. „Elektrische und magnetische Felder könnten helfen, den Energieverbrauch vor allem bei der Verarbeitung von Metallen und Hochleistungskeramiken drastisch zu senken – wir denken, in einigen Fällen um über 50 Prozent“, so der Materialexperte. Hochleistungskeramiken sind keine exotischen Werkstoffe. Wir nutzen sie in Haushaltsgeräten, in Fahrzeugen oder bei der Kommunikation. Sie gelten als Schlüsselwerkstoffe für die Energieumwandlung und -speicherung. Aber ihre Verarbeitung verbraucht viel Energie. Etwa 7 Prozent des Primärenergiebedarfs wird in Deutschland für industrielle Wärmebehandlungen verwendet.
Das liegt bei den Keramiken vor allem an deren hohen Schmelzpunkten. Um die Werkstoffe zu bearbeiten, müssen hohe Temperaturen erzeugt werden. Denn erst bei großer Hitze können sie wie gewünscht verdichtet und verformt werden. Das geschieht heute meist nach dem „Backofenprinzip“: Wie beim Kuchenbacken heizt man einen Ofen vor, er wird sowohl außen als auch innen heiß und wärmt noch lange nach. „Dabei wird sehr viel Energie aufgebracht, von der nur ein Bruchteil in die tatsächliche Verarbeitung des Werkstücks fließt“, erklärt Guillon.
Genau das lässt sich mithilfe elektromagnetischer Felder vermeiden. Wie bei der Milch in der Mikrowelle wird die Wärme allein im Bauteil erzeugt. „Dadurch wird die zugeführte Energie effizienter genutzt. Außerdem beschleunigt das den Herstellungsprozess, denn das Bauteil erreicht mit dieser Methode viel schneller seine gewünschte Betriebstemperatur als durch das Aufheizen nach dem Backofenprinzip“, sagt der Wissenschaftler. Ein mögliches Einsatzgebiet für das Verfahren haben Jülicher Forscher bereits getestet: Sie haben keramische Bauteile für Festkörperbatterien nach dem Prinzip gefertigt.
Die neuen Herstellungsverfahren könnten dazu beitragen, dass Deutschland seine hochgesteckten Ziele bei der Energiewende erreicht: Neben der Umstellung auf regenerative Energien soll nämlich der Energieverbrauch bis 2020 gegenüber 2008 um 20 Prozent gesenkt, bis 2050 sogar halbiert werden. Auch die Internationale Energieagentur IEA hat die Energieeffizienz als eine von vier zentralen Maßnahmen definiert, um die globale Erwärmung auf maximal zwei Grad bis 2100 zu begrenzen.
„Die Werkstoffverarbeitung mit elektrischen und magnetischen Feldern eröffnet aber noch weitere Möglichkeiten“, sagt Olivier Guillon, der seit 2016 das Schwerpunktprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zu dem Thema leitet. Gemeinsam mit Kollegen aus dem Programm hat er vor Kurzem in einer Studie den Stand der Forschung zusammengefasst. So arbeiten Wissenschaftler daran, mittels elektrischer und magnetischer Felder die Eigenschaften bestimmter Werkstoffe zu verbessern, indem sie durch die Felder die Bewegung der Atome aktivieren. Dadurch lassen sich Materialien besser verdichten und umformen oder die atomare Struktur gezielt beeinflussen.
Es lassen sich aber auch Rohstoffe einsparen, beispielsweise bei Permanentmagneten. Diese sind heutzutage in nahezu jedem elektronischen Gerät verbaut: in Kühlschränken, Mobiltelefonen oder auch in den Generatoren von Windkraftanlagen. Besonders leistungsfähige Magnete enthalten oft wertvolle Rohstoffe, wie die Seltenerdmetalle Neodym und Dysprosium, die unter bedenklichen Umweltbedingungen fast ausschließlich in China gewonnen werden.
Die Stärksten Magnete der Welt
Mit Neodym lassen sich aktuell die stärksten Magnete der Welt bauen, Dysprosium wiederum macht die Magnete hitzestabil. Die verbauten Mengen sind beachtlich: Allein in einer 3-Megawatt-Windturbine stecken 1,8 Tonnen Neodym-Eisen-Bor-Magnete. Kollegen aus dem DFG-Schwerpunktprogramm setzen externe elektromagnetische Felder ein, um Atome in der Mikrostruktur der Magnete zu dirigieren: „Damit werden die Eigenschaften des Magneten verbessert und weniger Seltenerdmetalle verbraucht“, so Guillon.
Allerdings werden solche Verfahren vermutlich erst in rund 10 bis 15 Jahren praxisreif sein. Noch müssen Grundlagen erforscht werden. So gilt es etwa, mehr über die Wechselwirkungen zwischen elektrischen oder magnetischen Feldern und der Materie herauszufinden. „Die Prozesse laufen auf unterschiedlichen Zeitskalen und in unterschiedlichen Größenordnungen ab: von Nanosekunden bis Stunden, vom Atom bis zum makroskopischen Teil“, erläutert der Jülicher Wissenschaftler. „Das DFG-Schwerpunktprogramm ist hier ein wichtiger Schritt nach vorne: Es bringt die Forschergruppen zusammen, die bislang unabhängig voneinander die unterschiedlichen Phänomene untersucht haben.“ Zweifelsohne: Effiziente Forschung, um die Energieeffizienz und damit die Energiewende voranzutreiben.
Katja Lüers
Was passiert in einer Mikrowelle?
Den ersten „Radarherd“ baute der US-Ingenieur Percy Spencer im Jahr 1946. Die Ur-Mikrowelle war kühlschrankgroß und wog 340 Kilogramm. Mit einer Leistung von 3000 Watt übertraf sie heutige Geräte um etwa das Dreifache. Inzwischen sind die Mikrowellengeräte erheblich geschrumpft und zählen zur Grundausstattung vieler Küchen: In Deutschland steht in rund Dreiviertel aller Haushalte ein Mikrowelle.
Knapp eine Minute braucht ein Mikrowellenherd, um einen Teller Suppe zu erhitzen. Dazu bestrahlt sie das Essen mit elektromagnetischen Wellen. Diese versetzen die Wassermoleküle im Inneren der Suppe in Bewegung. Die Moleküle reiben aneinander und erzeugen dadurch Wärme.
In gefrorenem Wasser können sich Wassermoleküle nur sehr eingeschränkt bewegen. Auftauen im Mikrowellenherd geht daher langsam – im Vergleich mit dem Erwärmen von nicht gefrorenen Speisen. Und es gelingt am gleichmäßigsten bei geringer Leistung. Nur dann ist ausreichend Zeit, damit sich die Wärme aus bereits aufgetauten Bereichen durch Wärmeleitung in angrenzende Eisschichten ausbreitet und diese ebenfalls auftaut. Ein Küchentrick ist Gefrorenes vor dem Auftauen mit Wasser zu übergießen: Das umgebende Wasser erwärmt sich schneller als das Eis und kann durch die Weiterleitung der Wärme das Auftauen beschleunigen.
Diese unterschiedliche Verteilung der Ladungen sorgt für einen interessanten Effekt: Wird von außen ein elektrisches Feld angelegt, richtet sich ein Wassermolekül so aus, dass die leicht positive Seite in Richtung des Minuspols zeigt, die negative in Richtung des Pluspols.
Eine elektromagnetische Welle ist im Grunde nichts anderes als ein sich ständig wechselndes elektrisches Feld. Sie bewirkt daher, dass sich die Wassermoleküle ständig hin- und herdrehen und benachbarte Moleküle aneinander reiben. Das erzeugt Wärme.
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