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Forschung
Störungen einfach ausblenden
Forschung
Störungen einfach ausblenden
Gute Kopfhörer blenden Störungen aus oder lassen sie gar nicht erst eindringen – so ähnlich funktionieren die Verfahren zur Fehlerkorrektur, die Jülicher Forschende für Quantenrechner entwickeln.
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Jeder macht mal Fehler, heißt es. Lästig wird es allerdings, wenn sich Fehler häufen. Genau das passiert bei heutigen Quantencomputern: Deren Recheneinheiten, die Quantenbits, sind extrem anfällig für Störungen und damit für Fehler. Jülicher Forschende suchen Wege, diese zu finden und zu beheben.
Die Rekordjagd hat begonnen: Während die ersten Quantenrechner mit rund 50 Qubits laufen, planen US-amerikanische Firmen wie IBM und Google bereits Systeme mit Tausenden Quantenbits, kurz Qubits. Deutschlands Quanten-Roadmap peilt immerhin 500 Qubits an.
Bild oben: Gute Kopfhörer blenden Störungen aus oder lassen sie gar nicht erst eindringen – so ähnlich funktionieren die Verfahren zur Fehlerkorrektur, die Jülicher Forschende für Quantenrechner entwickeln.
Doch die Qubit-Anzahl allein ist für Prof. Frank Wilhelm-Mauch, Leiter des Bereichs „Quantum Computing Analytics“ am Jülicher Peter Grünberg Institut (PGI-12), nach dem aktuellen Stand der Technik nicht der richtige Maßstab für die Leistung eines Quantencomputers. Denn die Formel „viele Qubits bedeuten hohe Leistung“ stimmt nicht. Schuld ist die Fehleranfälligkeit der Recheneinheiten: Bereits durch kleinste Störungen können Qubits ihren Quantenzustand einbüßen – und damit ihre besonderen Rechenfähigkeiten. Darum müssen alle bekannten Arten von Quantencomputern von der Umgebung isoliert werden – manche durch Ultrahochvakuum, manche durch Temperaturen nah am absoluten Nullpunkt bei minus 273 Grad Celsius. Jede kleine Abweichung, die beispielsweise bei der Programmierung entstehen kann, kann das System stören.
Um trotzdem Rechnungen durchführen zu können, wird bislang ein großer Teil der Recheneinheiten eingesetzt, um Fehler zu diagnostizieren und zu korrigieren. „Von den 50 und mehr Qubits, die aktuell führende Quantencomputer erreichen, werden höchstens 12 für Anwendungen genutzt“, sagt der Forscher. Hinzu kommt: Je komplexer eine Rechnung, desto rasanter nimmt die Fehlerrate zu. Irgendwann sind es so viele fehlerhafte Qubits, dass das System nicht mehr ordentlich funktioniert. „Daher ist es aktuell wichtiger, die Fehlerwahrscheinlichkeit zu verringern als die Zahl der Qubits zu steigern“, ist Frank Wilhelm-Mauch überzeugt.
Doch schon das Erkennen von Fehlern ist ein Problem: Denn während ein Quantencomputer rechnet, dürfen die Qubits nicht gemessen werden. Auch das stört und vernichtet die Quanteneigenschaften, die für die weitere Informationsverarbeitung wichtig sind. Erschwerend kommt hinzu, dass es verschiedene Arten von Quantenfehlern gibt.
Da wäre etwa der sogenannte Bit-Flip-Fehler. Um ihn zu verstehen, kann man sich ein Qubit als einen Zeiger vorstellen, der in jede beliebige Richtung weisen kann. Zum Vergleich: Ein Bit eines herkömmlichen Rechners weist nur senkrecht nach oben – entsprechend der Zahl 1 – oder senkrecht nach unten – entsprechend der Zahl 0. Bei dem Bit-Flip-Fehler deutet der „Zeiger“ auf einmal in die entgegengesetzte Richtung. Dreht sich der Zeiger um seine senkrechte Achse, sprechen Experten von einem Phasen-Flip-Fehler. In beiden Fällen liefert das Qubit eine falsche Information.
„Aktuell ist es wichtiger, die Wahrscheinlichkeit von Fehlern zu verringern als die Zahl der Qubits zu steigern“
Prof. Frank Wilhelm-Mauch
Erkennen und korrgieren
Um diese Arten von Fehlern zu entdecken, haben Forschende in den letzten zwei Jahrzehnten verschiedene Rechenverfahren entwickelt. Dabei beobachten sie die Qubits, die fürs Rechnen benötigt werden, nicht direkt, sondern nutzen Hilfsqubits als Warnlampen, die anzeigen, wenn ein Qubit gleichsam „ausgeflippt“ ist. Die Verfahren ermöglichen es außerdem, die Fehler anschließend sofort zu korrigieren.
Eine andere Art von Fehler entsteht, wenn ein Qubit aus einer Ansammlung von Qubits verschwindet. Dabei wird entweder ein Quantenteilchen von den anderen nicht mehr als solches erkannt oder geht sogar ganz verloren. „Wir haben als Erste ein Verfahren entwickelt, mit dem sich diese Art von Fehlern mittels Hilfsqubits entdecken und korrigieren lässt, ohne die Rechnung zu stören“, sagt Prof. Markus Müller, Experte für theoretische Quantentechnologie vom PGI-2. Kooperationspartner der Universität Innsbruck haben mit einem kleinen Ionenfallen-Quantencomputer gezeigt, dass das Verfahren in der Praxis funktioniert. Markus Müller geht davon aus, dass es sich mit Methoden zur Korrektur von Bit-Flip- und Phasen-Flip-Fehlern kombinieren lässt.
Schützende Schaltung
Alle genannten Methoden funktionieren in gewisser Weise ähnlich wie die aktive Geräuschunterdrückung bei Kopfhörern: Diese blenden störende Geräusche von außen durch Gegenschall aus. Man hört auf diese Weise nur die gewünschte Musik. Bei den Qubits folgt nach einer erkannten Störung eine Rechenoperation, die die Störung beseitigt. Es bleibt die Information in ihrer ursprünglichen reinen Form.
Einen völlig anderen Ansatz haben Martin Rymarz und Prof. David DiVincenzo, Leiter des PGI-2, zusammen mit Partnern von der Universität Basel und dem QuTech Delft vorgestellt: Sie haben eine Schaltung entworfen, die die Qubits passiv vor Störungen schützen soll – sozusagen ein Kopfhörer, der Geräusche von außen gar nicht erst ans Ohr lässt und somit im besten Fall ohne Gegenschall auskommt. Im Zentrum dieser Schaltung steht ein Gyrator, ein elektrisches Bauelement mit zwei Anschlüssen, das Strom an einem Anschluss mit Spannung am anderen koppelt.
„Bei Supraleiter-Quantencomputern könnte die aktive Fehlerkorrektur dank unserer Schaltung wegfallen oder zumindest weniger aufwendig gestaltet werden“, sagt Doktorand Martin Rymarz. Er ist überzeugt, dass sich der Bau eines Supraleiter-Quantencomputers mit einer großen Zahl von Qubits somit erheblich vereinfachen würde. DiVincenzo ist sich bewusst, dass dieses Konzept noch ein wenig seiner Zeit voraus sein mag, aber er ist optimistisch: „Angesichts der vorhandenen Expertise sehen wir die Möglichkeit, unseren Vorschlag in absehbarer Zeit im Labor zu testen.“
Frank Frick
Mehr zur Jülicher Quantenforschung finden Sie unter: fzj.de/quanten
Lesen Sie dazu auch die Titelgeschichte der effzett 1-21 unter: effzett.fz-juelich.de/1-21/in-superposition/
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