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Forschung
Ein Traum rückt näher
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Ein Traum rückt näher
Die Wissenschaftler verfolgten die Orbital-Tomogramme mit ultrahoher Auflösung durch die Zeit. Die Elektronen in den Molekülen wurden dafür mit Femtosekunden-Laserpulsen in ein anderes Orbital angeregt.
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Sie sind blitzschnell, winzig klein und kaum zu fassen: Elektronen. Ihre Bewegungen genau zu verfolgen, könnte viel über chemische Reaktionen verraten. Bislang schien das unmöglich. Ein Mix aus Laser- und Elektronenspektroskopie könnte das ändern.
Elektronen spielen eine zentrale Rolle in der Chemie: Sie verbinden Atome. Bei chemischen Reaktionen gehen Elektronen auf Wanderschaft, dadurch werden Bindungen gelöst und neue geknüpft. Welcher Stoff wie viele Elektronen abgibt oder aufnimmt, lässt sich in Reaktionsgleichungen exakt beschreiben. Doch die Forschung möchte es noch genauer wissen: „Seit vielen Jahren ist es ein Ziel, Elektronen im Laufe einer Reaktion in Zeit und Raum exakt zu verfolgen“, sagt Prof. Stefan Tautz vom Peter Grünberg Institut (PGI-3). Dahinter steckt ein großer Traum: Chemische Reaktionen zu erklären alleine auf Basis der räumlichen Verteilung von Elektronen in Molekülen.
Bild oben: Die Wissenschaftler verfolgten die Orbital-Tomogramme mit ultrahoher Auflösung durch die Zeit. Die Elektronen in den Molekülen wurden dafür mit Femtosekunden-Laserpulsen in ein anderes Orbital angeregt.
Forschenden aus Jülich, Graz und Marburg ist hierfür ein wichtiger Schritt gelungen: Sie haben Elektronen beim Transfer durch eine Grenzfläche zwischen einer Molekülschicht und einem Metall beobachtet. Die Anregungspfade der rasend schnellen Teilchen haben sie mit einer Kombination von innovativen Verfahren in einer Serie von Einzelbildern festgehalten und konnten so den Ablauf in Zeitlupe nachverfolgen.
Eine komplexe Herausforderung, denn Elektronen in einem Molekül haben zu keinem Zeitpunkt einen fest definierbaren Aufenthaltsort. Es können nur Bereiche angegeben werden, in denen sie sich mit sehr großer Wahrscheinlichkeit aufhalten – die Orbitale. Mithilfe der vor wenigen Jahren in Graz und Jülich gemeinsam entwickelten Photoemissions-Orbital-Tomographie können Forschende solche Orbitale experimentell erfassen. Dazu beschießen sie eine Molekülschicht mit Lichtteilchen. Das löst energetisch angeregte Elektronen aus der Schicht – nicht zufällig, sondern nach einem bestimmten Muster, das direkt die räumliche Verteilung der Elektronen in den Orbitalen der Molekülschicht widerspiegelt.
Prof. Stefan Tautz untersucht die physikalischen und chemischen Eigenschaften von Oberflächen und Grenzflächen. Doch das liefert nur eine Momentaufnahme. Um einen zeitlichen Ablauf zu erhalten, setzte das Team einen speziellen Laser ein, der ultrakurze Pulse im Femtosekundenbereich mit ausreichend hoher Energie erzeugt. Jeder Puls, der lediglich eine billiardstel Sekunde dauert, ergibt ein neues Bild. Als Probe verwendeten die Forschenden das organische Molekül PTCDA auf einer Kupferunterlage, zwischen beiden Stoffen lag eine hauchdünne Oxidschicht. Ein hochempfindliches Impulsmikroskop erfasste Richtung und Energie der herausgelösten Elektronen.
„Die Experimente haben gezeigt, dass es mit unserer Kombination prinzipiell möglich ist, die Anregungspfade der Elektronen in Raum und Zeit zu verfolgen. Das wollen wir nun auch mit anderen Proben nachweisen“, so Stefan Tautz. Die Erkenntnisse könnten beispielsweise helfen, Grenzflächen und Nanostrukturen etwa für Prozessoren, organische Solarzellen und Katalysatoren zu optimieren.
Christian Hohlfeld
© 2022 Forschungszentrum Jülich