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Jahr der Bioökonomie
Wissen säen, Nahrung ernten
Maniok hat das Potenzial, die Ernährung in Afrika nachhaltig zu sichern. Allerdings sind die Erträge zu gering. Ein internationales Forscherteam möchte das ändern: mit verbesserten Pflanzen und Drohnenflügen.
Tolle Knolle
Maniok erobert die Speisekarten trendiger Restaurants. Zubereitet wie Pommes, ist die kohlenhydratreiche Knolle eine willkommene Abwechslung zur Kartoffel. Anders in Afrika: Für die Menschen dort stellt Maniok ein wichtiges Grundnahrungsmittel dar. Denn die Pflanze ist sehr gut an das tropische Klima angepasst: In der Regenzeit speichert die Pflanze so viele Nährstoffe in ihren armdicken Wurzeln, dass sie damit die fünfmonatige Trockenperiode überlebt. Sobald der Boden nach Ende der Trockenzeit nicht mehr hart ist und die Pflanze ihre unterirdischen Speicher wieder gefüllt hat, wird die bis zu drei Meter hohe Pflanze geerntet – mit all den wertvollen Kohlenhydraten. Das macht Maniok als Nahrungsmittel so beliebt.
Geringer Ertrag
Mit knapp 50 Millionen Tonnen pro Jahr ist Nigeria der größte Produzent von Maniok, doch der Ernteertrag ist nicht sehr effizient. „Wenn man sich bei uns umguckt, schaffen Landwirte 70 bis 80 Prozent des maximal möglichen Ertrags in der landwirtschaftlichen Praxis. Bei nigerianischem Maniok sind es nur etwa 20 Prozent“, erklärt Prof. Dr. Uwe Rascher vom Jülicher Institut für Bio- und Geowissenschaften (IBG-2). Mehr Wasser, mehr Anbaufläche oder der Einsatz teurer Technik, um den Ertrag zu steigern, sind schwer realisierbar. Wäre die Pflanze jedoch robuster und ertragreicher, könnte Maniok genau dort zur Nahrungsmittelsicherheit beitragen, wo diese bisher fehlt.
Das Projekt CASS
Ein internationales Team aus Wissenschaftlern arbeitet an einer Variante der Maniokpflanze, die noch besser an die Bedingungen Westafrikas angepasst ist und mehr Ertrag liefert. Im Projekt Cassava Source-Sink (CASS) forschen Jülicher Wissenschaftler unter anderem mit Kollegen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen, die das Vorhaben koordinieren, sowie der ETH Zürich und des International Institute of Tropical Agriculture in Ibadan im Südwesten Nigerias zusammen. Finanziert wird CASS von der Bill & Melinda Gates Foundation.
Forschen im Flug
Im Feldversuch in Nigeria testet das CASS-Team verschiedene Maniokvarianten. Die Forschenden können hierfür auf rund 500 durch Kreuzungsversuche entstandene Variationen der vier besonders häufig verwendeten Sorten zurückgreifen. Die Jülicher Experten beobachten bei den Tests den oberirdischen Teil der Pflanze. „Wir wollen über den saisonalen Verlauf messen, wie und wo die Pflanze wächst und wie gut sie Photosynthese betreibt“, erklärt Uwe Rascher. Um die Entwicklung von über 9.000 Pflanzen zu dokumentieren, kommt eine in Jülich entwickelte Drohne zum Einsatz: Sie fotografiert die Pflanzen aus der Luft. Eine speziell modifizierte Software analysiert diese Bilder und erstellt daraus 3D-Modelle. Anhand dieser können die Forschenden genau beobachten, welche Manioktypen wie wachsen. Ein Verfahren, mit dem sich auch das Wachstum anderer Nahrungspflanzen erforschen lässt, wie das der Yamswurzel oder der Hirse.
Technologie als Saat
Mitten im Geschehen ist Dr. Anna van Doorn. Die ehemalige Mitarbeiterin von Uwe Rascher arbeitet inzwischen in der Maniok-Versuchsstation in Nigeria. „Nur wenn wir verstehen, wie die Pflanze unter den hiesigen Bedingungen wächst, können wir versuchen, sie gezielt zu verbessern“, erklärt sie. Die kommenden drei Jahre wird sie die Forschung vor Ort begleiten und die Kameradrohne fliegen, für die sie in Jülich Hard- und Software maßgeblich mitentwickelt hat. Sie hofft außerdem, bald nigerianische Studierende in ihre Arbeit einbinden zu können. Ein wichtiger Schritt für Uwe Rascher: „Wir wollen mit den lokalen Partnern forschen und dort nur Technologien und Verfahren einbringen, die unsere Partner in Afrika nachhaltig nutzen können. Wenn die neuen Verfahren dann in den Anbaugebieten routinemäßig durchgeführt werden können, waren wir als Forschungseinrichtung erfolgreich.“
Texte: Martha Peters/Jannis Lindner
Auf nach Afrika!
Abenteuer Afrika? Nein, so würde Dr. Anna van Doorn ihren Aufbruch nach Nigeria nicht beschreiben. „Das eigentlich Spannende hier ist unsere Forschung“, sagt die 32-jährige Pflanzenforscherin, die nun seit März auf einem rund 1.000 Hektar großen Campus nahe der Millionenstadt Ibadan forscht und lebt. Ihre ganze Aufmerksamkeit gilt hier einer zwei Hektar großen Fläche in den riesigen Forschungsfeldern voller Maniok, die direkt auf dem Campusgelände angelegt sind. Dort gibt es auch Unterkünfte, Sportanlagen und einen Supermarkt, abends trifft sich die Niederländerin mit Freunden zum Barbecue. „So unterschiedlich sind meine Arbeitsbedingungen und der Forschungsalltag hier also gar nicht“, findet sie. „Und mit den nigerianischen Kollegen zu arbeiten, ist einfach ein Genuss. Sie sind offene, gelassene und immer bestens gelaunte Menschen – und absolute Maniokexperten, von denen ich viel lerne.“ Zugleich weiß van Doorn, dass hier manches eben doch anders ist. „Zum Beispiel könnte ich mir hier jederzeit Malaria einfangen. Und obwohl ich tropisches Klima ziemlich gut vertrage, sind die Arbeitstage auf dem Forschungsfeld doch oft extrem heiß!“
Drei Jahre lang flog die Jülicher Pflanzenforscherin vom IBG-2 regelmäßig in das afrikanische Land, um in einem Versuchsfeld per Drohne das Wachstum von Maniokpflanzen zu vermessen. Nun arbeitet sie weitere drei Jahre vor Ort am International Institute for Tropical Agriculture (IITA) – und erforscht hier die bis zu fünf Meter hohen Gewächse im Projekt „Cassava Source-Sink“ (CASS) mit einem internationalen Team, finanziert von der Bill & Melinda Gates Stiftung. Maniok ist eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel für die Menschen in Westafrika. „Nigeria produziert mehr davon als jedes andere Land auf der Welt, der Ertrag pro Hektar ist dabei aber eher gering“, sagt van Doorn. „Wir versuchen, eine robustere und ertragreichere Variante der Pflanze zu finden, die dann von den Bauern vor Ort genutzt werden kann.“
In der Welt zu Hause
Anna van Doorn empfindet die Arbeit in fremden Ländern und Kulturen als bereichernd, hat bereits längere Zeit in Japan, Ghana und Brasilien geforscht. Für das CASS-Projekt hatte Prof. Uwe Rascher vom IBG-2 damals gezielt jemanden gesucht, der bereit ist, für einen längeren Zeitraum auf einen anderen Kontinent zu ziehen. „Das passte ziemlich gut zu mir“, erinnert sich die Pflanzenforscherin und lächelt. So wurde sie in Jülich gezielt ausgebildet, um mit ihrem Wissen dann nach Afrika zu gehen.
Als sie aus den Niederlanden ans Forschungszentrum kam, hatte sie zuvor allerdings noch nie eine Drohne geflogen. Diese mit allen Finessen zu bedienen, brachte sie sich innerhalb eines Monats bei – und arbeitete sich in kurzer Zeit auch in die übrige Materie und Technik ein, die jetzt ihren Alltag in Afrika prägt. „Wir wollen beim Maniok verstehen, wann sich im Wachstumszyklus wo die meisten Kohlenhydrate befinden, damit die Wurzel beim Ernten nährstoffreicher ist.“ Dazu macht sie mit der Drohne Hunderte hochauflösende Fotos, aus denen dann 3D-Modelle der Pflanzen erstellt werden. Hard- und Software hat van Doorn in Jülich speziell für diesen Einsatz mitentwickelt. Wichtig dabei sei, die Technik einfach genug zu halten, damit sie im Einsatz in Nigeria schnell selber repariert werden kann. Denn vor Ort an Ersatzteile oder gar eine neue Drohne zu kommen, dauert mitunter Wochen. Bislang ist nur einmal eine Drohne komplett ausgefallen – als ein Lastwagen sie versehentlich plattfuhr.
Voneinander lernen
In dem Projekt sieht van Doorn eine große Chance für Wissenstransfer: „In Deutschland gibt es eine hochpräzise Landwirtschaft. Hier werden kaum Wasser oder Nährstoffe verschwendet, vieles ist automatisiert. Ich suche nach Wegen, wie wir unsere Technik und unser Wissen in Nigeria in die Anwendung bringen können – und profitiere gleichzeitig von den Erfahrungen der Menschen hier mit der Maniokpflanze.“ Am Ende sollen die hiesigen Bauern die Technologien und Verfahren in den Anbaugebieten nachhaltig und ohne Unterstützung aus dem Ausland nutzen können. Damit dies gelingt, verstärkt auch Uwe Rascher sein Jülicher Projektteam derzeit wieder um zwei neue Stellen. Und Anna van Doorn? Die hat ihr ganz persönliches Ziel in Afrika stets klar vor Augen: „Wenn die Forschung von den nigerianischen Kollegen allein fortgeführt werden kann, bin ich hier als Wissenschaftlerin überflüssig. Dann kann ich weiterziehen.“
aus "intern", dem Mitarbeitenden-Magazin des Forschungszentrums Jülich
Jannis Lindner
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