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Titelthema
Welchen Mehrwert bringt die Datenflut?
Wer übernimmt die Verantwortung für die Ergebnisse, die der Datenberg ausspuckt? Wir haben drei Experten gefragt, die Big Data aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten.
Der Praktiker
Franz Färber ist Executive Vice President und verantwortlicher Chefarchitekt für Big-Data-Lösungen bei SAP, dem größten Softwarehersteller Europas: „Wenn in der Industrie oder in der Luftfahrt Geräte oder Flugzeuge aufgrund technischer Defekte ausfallen, ist das meist teurer als der frühzeitige Austausch eines Bauteils. Um die Wartungsintervalle so optimal wie möglich zu gestalten, sammeln Sensoren entsprechende Daten. Aber letztlich entscheidet ein Mensch, ob ein teures Maschinenteil ausgetauscht wird, noch bevor die Produktion stillsteht. Diese Entscheidung können Daten einem nicht abnehmen, aber sie bilden – wenn sie gut erhoben sind – eine solide Basis für wichtige Entscheidungen in einem Prozess.“
Die Wissenschaftlerin
Prof. Katrin Amunts ist Direktorin des Jülicher Instituts für Neurowissenschaften und Medizin (INM-1) und wissenschaftliche Koordinatorin des EU-Flagships „The Human Brain Project“: „Bei Studien, die tausend oder sogar mehrere tausend Probanden einschließen, lassen sich völlig neue Erkenntnisse durch Big Data gewinnen. Hierbei kann man kleine und für sich nur schwach wirkende Faktoren und ihre Interaktion identifizieren. Ein Beispiel ist die Jülicher 1.000-Gehirne-Studie, die Effekte von Sport, Alkohol, Rauchen und sozialem Leben auf das Gehirn nachweist (mehr zu den Ergebnissen der Studie s. hier). Natürlich führen die größeren Datenmengen und ihre zunehmende digitale Bearbeitung durch selbstlernende Programme nicht automatisch zu mehr Wissen, jedoch werden die Erkenntnisprozesse durch Machine Learning und Deep Learning, die neue und leistungsfähige Rechnerarchitekturen nutzen können, stark vorangetrieben.“
Der Philosoph
Prof. Klaus Wiegerling vom Karlsruher Institut für Technologie hat mit Kolleginnen und Kollegen mehrerer Universitäten im Projekt „Assessing Big Data“ (ABIDA) die gesellschaftlichen Chancen und Risiken von Big Data ausgelotet: „Es ist eine Frage des Vertrauens. Der Glaube an die Unbestechlichkeit von Zahlen – und dass sie unsere Welt adäquat repräsentieren – ist ungebrochen, aber trügerisch. Wir Wissenschaftler müssen wachsam bleiben: Viele Daten und die vermeintlich darin versteckten Zusammenhänge führen keineswegs zwangsläufig zu einer Kausalität und zu wahren Erkenntnissen. Im privaten Bereich dient Big Data unter Umständen nicht nur den eigenen Zwecken, wie zum Beispiel der präzisen Stauvorhersage durch ein Navigationssystem. Kritiker befürchten den gläsernen Menschen. Andere könnten sogar meine digitalen Spuren für kommerzielle, politische oder kriminelle Absichten missbrauchen.“
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