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Forschung
Immer an der Wand lang
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Immer an der Wand lang
Wie dicht ein Spermium an der Kurve einer Wand bleibt, hängt von der Art des Geißelschlages ab.
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Millionen machen sich auf die Suche und nur eines wird fündig: Die Rede ist von Spermien und dem Wunder der Befruchtung. Doch wie finden die 60 Mikrometer großen Zukunftsmacher ihren Weg durch enge, gewundene Kanäle wie etwa den Eileiter? Jülicher Biophysiker klären auf.
Spermien sind Langstreckenschwimmer. Bis zu ihrem Ziel, der Eizelle, müssen sie rund 15 Zentimeter zurücklegen. Das ist das 2.500-Fache ihrer eigenen Länge. Für einen Menschen wären das entsprechend rund 4,5 Kilometer. Was Spermien vorantreibt, ist schon länger bekannt – Peitschenschläge ihres Schwanzes, der Geißel. Doch wie schwimmen die DNS-Träger durch winzige Kanäle? Dr. Jens Elgeti und seine Kollegen vom Institute of Complex Systems und Institute for Advanced Simulation (ICS-2/IAS-2) haben das mithilfe des Supercomputers JURECA simuliert.
Bild oben: Wie dicht ein Spermium an der Kurve einer Wand bleibt, hängt von der Art des Geißelschlages ab.
„Ein Spermium drückt sich bei der Vorwärtsbewegung – immer mit dem Kopf voraus – leicht schräg gegen die Wand des Mikrokanals, sodass es in der Nähe der Wand bleibt. Selbst leichte Windungen passiert es so mühelos“, sagt Jens Elgeti. Ab einem bestimmten Krümmungsradius geht der Kontakt zur Wand allerdings verloren. Wann die Tuchfühlung mit der Wand abreißt, liegt an der Art des Geißelschlags des Spermiums, wie die Forscher herausgefunden haben. Dieser ist nicht immer gleich: Die Geißel kann in zwei oder in drei Raumrichtungen schwänzeln. Das hat Konsequenzen für die Schwimmroute: „Die Spermien mit einem dreidimensionalen Geißelschlag bleiben auch bei deutlich stärkeren Krümmungen an der Wand – im Gegensatz zu solchen, die nur in einer Ebene schlagen“, erklärt der Forscher.
Spermien bewegen sich also abhängig von ihrem Geißelschlag unterschiedlich durch gewundene Gänge. Das lässt sich nutzen. Im Labor beispielsweise, um Spermien für eine künstliche Befruchtung zu sortieren. „Aus Untersuchungen anderer Forscher ist bereits bekannt, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Erbgut der Spermien und ihrem Schwimmstil gibt“, sagt Elgeti. „Wenn man dazu mehr Details weiß, lassen sich über eine Art Hindernislauf vielleicht minderwertige von hochwertigen Spermien trennen und so die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen künstlichen Befruchtung verbessern.“ Auch bei der Empfängnisverhütung könnten die Erkenntnisse helfen: Wenn klar ist, welche Schlagtechnik die Spermien zur Eizelle bringt, könnten Medikamente das Schwänzeln stören und so die DNS-Träger auf ihrem Weg ausbremsen.
Jens Elgeti erforscht, wie sich sogenannte Mikroschwimmer bewegen, zum Beispiel Spermien und Bakterien. Doch zunächst wollen der Biophysiker Elgeti und seine Kollegen die Schwimmtechnik der Spermien besser verstehen: „Wir untersuchen derzeit, wie das Wechselspiel von aktiven Kräften und Geißel-Elastizität den Schlag beeinflusst“, sagt Elgeti – unter anderem, indem sie Spermien unter dem Hochgeschwindigkeitsmikroskop beobachten.
MATTHIAS LAUERER
© 2022 Forschungszentrum Jülich