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Forschung
Ausgetrocknet
Das Jahr 2018 war sehr heiß, aber vor allem extrem trocken. Geht es 2019 so weiter, haben Grundwasserspiegel und Wasserressourcen keine Chance, sich zu erholen. Größter Verlierer der Dürre ist jedoch das Klima.
„Heißzeit“ – der Begriff sorgte 2018 als „Wort des Jahres“ bundesweit für Schlagzeilen. Der Sommer war in der Tat ungewöhnlich warm – mit durchschnittlich 10,4 Grad Celsius war 2018 sogar das wärmste Jahr seit Beginn deutschlandweiter Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881. Vor allem für die Landwirte war aber nicht die Hitze das größte Problem, sondern die ab Juni anhaltende extreme Trockenheit.
„Unsere Messstationen auf Wiesen und in Wäldern in der Eifel sowie auf einem Acker in Selhausen bei Jülich verzeichneten 2018 im Jahresdurchschnitt bis zu 23 Prozent weniger Niederschlag als üblich“, berichtet Dr. Alexander Graf vom Institut für Bio- und Geowissenschaften (IBG-3). Die drei Stationen gehören zu der Helmholtz-Initiative TERENO, ein Netzwerk zur Erdbeobachtung von der norddeutschen Tiefebene bis zu den bayerischen Alpen. Die Forscher messen, wie die Landoberfläche und die Atmosphäre Stoffe und Energie austauschen – vom Niederschlag über die Verdunstung bis hin zu Kohlendioxid.
Im Vergleich zu den Jülicher Standorten regnete es in anderen deutschen Regionen sogar noch viel weniger (siehe Grafik hier). Laut dem Dürremonitor Deutschland waren Sommer und Herbst im Vergleich zum Mittelwert seit 1951 noch nie so trocken wie 2018. Die Trockenheit dauerte auch dann noch an, als im September die große Hitze vorbei war. Da das Boden- und Grundwassersystem verzögert auf ausbleibenden Regen reagiert, war für die Böden der Höhepunkt erst Anfang Dezember erreicht. „Die Dürre 2018 hängt immer noch im System“, sagt Graf.
„Die Dürre 2018 hängt noch im System. Regnet es auch in diesem Jahr zu wenig, könnte sich die Situation weiter verschärfen.“
Dr. Alexander Graf, Institut für Bio- und Geowissenschaften (IBG-3)
Schlechte Startbedingungen
„Die Bodenfeuchte war Anfang 2019 in den meisten Regionen deutlich geringer als im Jahr zuvor, der Grundwasserstand ebenfalls deutlich niedriger. Regnet es auch in diesem Jahr zu wenig, könnte sich die Situation in den betroffenen Gebieten weiter verschärfen. Manche Folgen zeigen sich mit Verzögerung: In Wäldern können solche Witterungsereignisse beispielsweise Jahre später zu Schädlingsepidemien führen.“
Der größte Verlierer der Dürre 2018 war laut Alexander Graf das Klima: „Jeder Sommer wie der in 2018 ist für unsere Biosphäre eine verlorene Chance, um die Kohlendioxid-Last in der Atmosphäre abzubauen“, so der Jülicher Experte. Als Faustregel gilt: Eine Fläche, die weniger verdunstet als sonst, nimmt auch weniger Kohlendioxid auf als sonst – entweder, weil die Pflanzen ohnehin vertrocknet sind. Oder weil sie ihre Spaltöffnungen in den Blättern verschließen und weniger Photosynthese betreiben, bei der Zucker und Sauerstoff aus Kohlendioxid, Licht und Wasser entstehen. Das bedeutet: Die Pflanzen wachsen schlechter und nehmen weniger Kohlendioxid auf. Mehr CO2 in der Atmosphäre führt aber dazu, dass der Treibhauseffekt verstärkt wird und so die globale Erwärmung voranschreitet – und damit der Klimawandel. Globale Erwärmung bedeutet wiederum im Durchschnitt mehr Trockenheit – ein Teufelskreis.
Trockene Rekorde
Niederschlag 2018 an ausgewählten Orten (in Millimetern)
2018
langjähriges Jahresmittel
Wem das Wasser fehlt
Wälder, Wiesen, Böden und Äcker reagierten 2018 sehr unterschiedlich auf zu viel Sonne und zu wenig Regen. Die Verdunstung spielte eine wichtige Rolle.
Der Wasserkreislauf
Bei der Verdunstung wird an der Erdoberfläche Wasser in Wasserdampf umgewandelt – über Gewässern (1) und Böden (2) sowie durch Pflanzen (3). Der Wasserdampf steigt auf (4), kühlt sich dabei ab und kondensiert zu Wolken (5). Danach fällt er als Niederschlag wieder auf die Landoberfläche zurück (6), wo der Niederschlag ins Grundwasser versickert (7) und Seen, Flüsse sowie Ozeane mit neuem Wasser versorgt (8). Anschließend beginnt der Kreislauf von Neuem.
Acker
Der Acker in Selhausen, auf dem Jülicher Forscher dauerhaft Messdaten sammeln, verdunstete 2018 ein Viertel weniger Wasser als in einem normalen Jahr. Der Grund: Aufgrund der warmen Temperaturen konnte der Landwirt sein Getreide eher ernten als sonst. Dadurch lag die Fläche deutlich früher brach. Grund- und Bodenwasser waren anschließend so tief abgesunken, dass die sogenannten Kapillarkräfte im Boden nicht ausreichten, um das Wasser an die Erdoberfläche zu holen. Ein weiterer Effekt: „Solche Flächen, die keinen kühlenden Wasserdampf abgeben, tragen dazu bei, einen ohnehin warmen Sommer noch wärmer zu machen“, erklärt Graf.
Wald und Wiese
Sowohl der Wald als auch das Grünland in der Eifel verdunsteten im Gegensatz zum Vorjahr bis zu sieben Prozent mehr Wasser trotz Trockenheit. Das geschah vor allem über die Pflanzen. Ihr Wurzelwerk war tief genug, um noch vorhandene Wasserreserven zu nutzen. Damit konnten diese Oberflächen den größeren Wasserdampfbedarf der Atmosphäre immerhin zum Teil abdecken. Dieses Plus hatte aber einen Preis: 2018 lieferten die beiden untersuchten Standorte 22 Prozent weniger (Wald) beziehungsweise 38 Prozent (Wiese) weniger Wasser für Flüsse und die Grundwasserneubildung.
Flüsse
Die Pegelstände verschiedener Flüsse fielen bis Herbst auf Rekordtiefe. Zum Beispiel lag der Pegel des Rheins in Köln im Oktober bei 69 Zentimetern. Das waren zwölf Zentimeter weniger als bei der vorherigen Tiefstmarke vom September 2003. Wegen der niedrigen Wasserstände mussten etliche Binnenschiffe den Verkehr wochenlang einstellen oder mit geringer Fracht fahren.
1Stunden schien die Sonne im Jahr 2018 in Deutschland. Das ist der höchste Durchschnittswert seit Beginn der Messungen in Deutschland im Jahr 1951
Grundwasserneubildung
„Die Absenkung des Grundwasserspiegels in 2018 ist deutlich zu erkennen – und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Mitteleuropa“, wie Prof. Stefan Kollet vom Institut für Bio- und Geowissenschaften (IBG-3) festgestellt hat. Er und sein Team haben Europa vom Grundwasser bis in die Atmosphäre modelliert und daraus die Grundwasserspiegeltiefen von 1996 bis 2018 über Mitteleuropa errechnet.
Katja Lüers
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