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Forschung
Comeback für Europas Solarindustrie?
Forschung
Comeback für Europas Solarindustrie?
Uwe Rau ist Direktor des Instituts für Energie- und Klimaforschung, Bereich Photovoltaik und Professor an der RWTH Aachen. Er forscht seit über 25 Jahren an Solarzellen.
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2012 kamen acht der zehn weltweit größten Photovoltaik-Unternehmen aus Deutschland. Heute findet sich kein deutscher Solarzellen-Produzent unter den Top 30. Vor allem die Konkurrenz aus China hat sich im Preiskampf durchgesetzt. Doch nun gibt es in Europa Hoffnung auf eine Renaissance. Photovoltaik-Experte Prof. Uwe Rau erläutert im Interview die Hintergründe.
Herr Prof. Rau, was macht Hoffnung auf eine Renaissance der europäischen Photovoltaik-Produktion?
Wir stehen vor dem Übergang zu einer neuen Technologiestufe. Einige vergleichen dies mit dem Übergang von 4G zu 5G im Mobilfunk. Neue Typen von Solarzellen sollen demnächst auf den Markt kommen – etwa die Silizium-Heterojunction-Solarzellen, kurz SHJ-Solarzellen (s. Kasten), oder eine Variante davon, die IBC-SHJ. Deren Vorteil: Sie bieten einen höheren Wirkungsgrad. Und Europa hat hier die Nase vorn. Im EU-Projekt NEXTBASE, das unser Institut koordiniert hat, wurde eine IBC-SHJ-Solarzelle entwickelt, die eine Effizienz von bis zu 25,4 Prozent erreicht. Das sind knapp 3 Prozent mehr als handelsübliche PERC-Zellen, die das Sonnenlicht mit einem Wirkungsgrad von rund 22,5 Prozent in Strom umwandeln. Am Forschungszentrum haben wir außerdem eine industriell produzierbare SHJ-Solarzelle entwickelt, die auf 24,5 Prozent kommt.
Bild oben: Uwe Rau ist Direktor des Instituts für Energie- und Klimaforschung, Bereich Photovoltaik und Professor an der RWTH Aachen. Er forscht seit über 25 Jahren an Solarzellen.
Warum machen rund 3 Prozent Wirkungsgrad einen großen Unterschied?
Bei Solarzellen dreht sich alles darum, wie viel Strom sie pro Fläche erzeugen. Denn gerade in Deutschland sind die Flächen, die man für die Module benötigt, begrenzt und sehr teuer. Zudem lassen sich mit hocheffizienten Zellen die Kosten für den erzeugten Strom erheblich senken.
Gibt es denn konkrete Pläne, die neuen Technologien einzusetzen?
Im Projekt NEXTBASE haben die Partner auch Herstellungsprozesse für die neue Solarzelle entwickelt, die für eine industrielle Massenproduktion geeignet sind. Das Schweizer Unternehmen Meyer Burger – einer der Industriepartner in NEXTBASE – hat angekündigt, noch in diesem Jahr an seinen deutschen Standorten in Freiberg und dem Stadtteil Thalheim von Bitterfeld-Wolfen mit der Produktion von SHJ-Solarzellen und -Solarmodulen „Made in Europe“ zu beginnen. Das Unternehmen entwickelt außerdem bereits die Produktionstechnologie für IBC-SHJ-Zellen. Auch eine weitere, noch effizientere Technologie steht in den Startlöchern: die Tandem-Solarzelle. Dabei stapelt man eine zweite Zelle – beispielsweise aus Perowskit – auf die Siliziumzelle. Das Unternehmen Oxford PV baut gerade eine entsprechende Produktionslinie in Brandenburg auf, die Anfang 2023 ihren vollen Betrieb aufnehmen soll. Die Produktionstechnik für die Herstellung der Tandem-Solarzelle sowie die darunterliegende Siliziumzelle stammt dabei auch von Meyer Burger.
66 Prozent aller Solarmodule weltweit kommen aus China, 18 Prozent aus anderen asiatischen Staaten, 4 Prozent aus Europa.
Quelle: Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, Photovoltaics Report, 2020
Können die neuen Module aus Europa denn auch preislich mithalten?
Die Kosten einer industriellen Produktion der neuen Module werden vermutlich ähnlich sein wie die Produktionskosten für die heute handelsüblichen PERC-Module, die hauptsächlich in Asien gefertigt werden. Europa könnte hier also wieder in die Herstellung einsteigen. Das wäre auch aus wirtschaftspolitischer Sicht sinnvoll.
Warum?
Wenn hier wieder Produktionslinien in einem relevanten Maßstab stehen, kann die Forschung in Europa verstärkt weitere Entwicklungen in diesem Bereich vorantreiben. Außerdem würde eine eigenständige europäische Wertschöpfungskette Abhängigkeiten und Risiken minimieren.
Spielt es denn eine Rolle, ob Strom etwa in Deutschland von Modulen aus China oder aus Europa erzeugt wird?
In der Tat dominiert China mit günstigen Modulen derzeit den Weltmarkt. Der Strom, den diese Module erzeugen, ist natürlich derselbe wie bei einem Modul aus Europa. Doch für die Energiewende müssen künftig allein in Deutschland jährlich Solaranlagen mit einer Gesamtleistung von mehreren Gigawatt installiert werden. Die Technologie ist also sehr wichtig und beinhaltet riesige Investitionen. Eine europäische Produktion würde sicherstellen, dass jederzeit Alternativen auf dem Weltmarkt verfügbar sind. Die Corona-Pandemie hat sich zum Beispiel auch auf die Lieferketten der Solarbranche ausgewirkt: Lieferungen verzögerten sich und wurden teurer. Politische oder wirtschaftspolitische Konflikte könnten ebenfalls zu Engpässen führen.
Das Interview führte Frank Frick
Solarzellen-Typen
PERC
„Passivated Emitter and Rear Cells“ sind der derzeitige Standard bei Solarzellen aus kristallinem Silizium. Eine spezielle Schicht an der Rückseite des Moduls reflektiert vor allem rotes Licht, das in früheren Modulen ungenutzt blieb. Das Licht kann so in einem zweiten Durchlauf Strom erzeugen und verbessert den Wirkungsgrad.
SHJ
Bei der Silizium-Heterojunction-Solarzelle ist ein monokristalliner Siliziumwafer von ultradünnen Schichten aus ungeordneten Silizium-Atomen umhüllt. Diese Schichten hemmen an den Oberflächen des Wafers die schnelle Wiedervereinigung von negativen und positiven Ladungsträgern, die durch die Sonnenenergie getrennt wurden.
IBC-SHJ
Während bei Siliziumzellen – auch bei der SHJ – normalerweise der erzeugte Strom durch elektrische Kontakte auf Vor- und Rückseite abgeführt wird, hat die IBC-SHJ-Zelle alle Leiterbahnen auf der Rückseite. Dadurch wird die Vorderseite weniger verschattet und die gesamte Fläche kann genutzt werden, um Sonnenlicht aufzunehmen.
Silizium-Perowskit-Tandemzelle
Während Silizium Licht vor allem im roten und infraroten Bereich einfängt, sind Perowskit-Materialien vor allem für das blaue und grüne Licht empfänglich. Bei einem Zellen-Tandem aus Silizium und Perowskit wird also das gesamte Sonnenspektrum genutzt, was den Wirkungsgrad erhöht (Weltrekord derzeit: 29,5 Prozent).
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