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Forschung
Bestätigt: Vorhersage von 1939
Forschung
Bestätigt: Vorhersage von 1939
Blick in den Stahltank des Borexino-Experiments. Er umhüllt eine Nylonballon gefüllt mit Szintillatorflüssigkeit.
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Die Sonne erzeugt nicht nur Licht und Wärme, sondern auch Neutrinos. Mithilfe dieser Teilchen haben Forschende erstmals einen speziellen Fusionsprozess in der Sonne nachgewiesen.
Sie bringt die Sterne zum Leuchten: die Kernfusion, bei der im Innern der Sterne unter enorm hohen Temperaturen Atomkerne verschmelzen und Wasserstoff in Helium umgewandelt wird. Bei Sternen, die noch massereicher sind als die Sonne, soll dafür vor allem der sogenannte CNO-Zyklus verantwortlich sein, ein Prozess aus mehreren Schritten, an denen Kohlenstoff (C), Stickstoff (N) und Sauerstoff (O) beteiligt sind. So sagten es in den 1930er Jahren Hans Bethe und Carl Friedrich von Weizsäcker vorher. Beobachtet wurde der CNO-Zyklus allerdings noch nie direkt – bis jetzt. Der Borexino-Kollaboration gelang es 2020 erstmals, Neutrinos aus dem CNO-Zyklus der Sonne nachzuweisen. Zum Borexino-Team gehört die Jülicher Arbeitsgruppe des Instituts für Kernphysik unter der Leitung von Prof. Livia Ludhova, die die Analyse zum CNO-Zyklus mitkoordiniert hat.
Bild oben: Blick in den Stahltank des Borexino-Experiments. Er umhüllt eine Nylonballon gefüllt mit Szintillatorflüssigkeit.
Neutrinos entstehen in unserer Sonne als eines der Produkte der Kernfusion. Doch anders als das Licht, das für den Weg durch die heiße und dichte Sternmaterie mehrere 100.000 Jahre benötigt, dringen die Neutrinos ungehindert nach draußen. Sie sind fast nicht nachzuweisen, weil sie nur schwach mit Materie in Wechselwirkung treten. Physikerinnen und Physiker versuchen diese Teilchen mithilfe des Borexino-Experiments zu erfassen, das in der Nähe von Rom im größten unterirdischen Versuchslabor der Welt durchgeführt wird. „Schon vor mehr als zehn Jahren konnten wir Neutrinos aus dem Inneren der Sonne erstmals nachweisen“, sagt Ludhova. Dabei kann Borexino nicht nur die Menge der Neutrinos zuverlässig bestimmen, sondern auch deren Energie. „Mit seiner Energie trägt jedes Neutrino einen Fingerabdruck der Reaktion mit sich, bei der es entstanden ist“, erklärt Ludhova.
2020 konnten die Forschenden in den seit Juli 2016 von Borexino gewonnenen Daten Neutrinos aus dem CNO-Prozess in der Sonne identifizieren. Dort spielt der Prozess eine untergeordnete Rolle, da die Sonne als sogenannter leichter Stern im Gegensatz zu schweren Sternen nur etwa ein Prozent ihrer Energie aus diesem Prozess erzeugt. Wissenschaftlich ist die Entdeckung dennoch ein großer Erfolg, da sie die Existenz des CNO-Zyklus belegt: Das Fachblatt „Physics World“ zählt sie zu den zehn wichtigsten Durchbrüchen in der Physik im Jahr 2020.
Der Nachweis des CNO-Prozesses in der Sonne kann noch mehr über das Sonneninnere verraten, etwa wie hoch der Anteil der Elemente ist, die schwerer sind als Wasserstoff und Helium. Livia Ludhova ist zuversichtlich: „Mit den Auswertungen der Messungen werden wir die Sonne und auch andere Sterne besser verstehen.“
Jens Kube
© 2022 Forschungszentrum Jülich