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Forschung
Gemeinsam gegen die Krise
Immer mehr Menschen erkranken an dem neuen Corona-Virus SARS-CoV-2. Forschende auf der ganzen Welt suchen nach Lösungen, um die Pandemie einzudämmen. Auch Jülicher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind beteiligt – gemeinsam mit Kollegen aus dem In- und Ausland suchen sie zum Beispiel nach Wirkstoffen oder entwickeln Modelle, um die weitere Entwicklung der Pandemie vorherzusagen.
Neue Wirkstoffe gegen das Virus
Wirkstoffe gegen Viren zielen darauf ab, deren Vermehrung zu stoppen. Dabei gibt es verschiedene Ansätze. An dreien arbeiten auch Jülicher Forschende um Prof. Dieter Willbold vom Institut für Biologische Informationsprozesse. So entwickeln sie zusammen mit Experten der Berliner Charité ein Molekül, das verhindern soll, dass das Coronavirus SARS-CoV-2 in die menschliche Zelle gelangt. Nur dort kann es sich weiter vermehren. Indem die Wissenschaftler den Zugangsweg für das Virus blockieren, die Bindung des viralen Spike-Proteins an den sogenannten ACE2-Rezeptor, verhindern sie diesen Schritt.
In zwei weiteren Projekten untersuchen die Jülicher Strukturbiochemiker, wie sich zwei Bausteine des Virus hemmen lassen, das Protein ORF8 und das Enzym 3C-like Protease. Beide sind essentiell für die Vermehrung des Virus in der Zelle.
Mehr zur Jülicher Corona-Forschung unter
www.fz-juelich.de/corona„Für die Forschung gilt es nun, möglichst schnell präzise Daten zur Ausbreitung des Virus und zur Entwicklung von Medikamenten bereitzustellen. Daran arbeiten wir mit Hochdruck.“
Prof. Thomas Lippert, Direktor des Jülich Supercomputing Centre
Medikamente testen mit Supercomputern
Möglicherweise helfen gegen das Virus auch bereits existierende Medikamente. Die Schwierigkeit besteht darin, aussichtsreiche Kandidaten schnell und sicher zu identifizieren. Dafür nutzt das EU-Projekt EXSCALATE4CORONAVIRUS die Rechenpower der größten Supercomputerzentren Europas, darunter die des Jülich Supercomputing Centre (JSC). Die Rechner sollen Medikamente gegen die Proteine suchen, die für das Corona-Virus überlebenswichtig sind. „Mithilfe solcher virtuellen Screenings, also systematischer Tests, in Kombination mit biochemischen und phänotypischen Hochdurchsatz-Screenings können innerhalb weniger Wochen Milliarden von Molekülen gegen ausgewählte Ziele evaluiert werden“, erklären Jun.-Prof. Giulia Rossetti und Prof. Paolo Carloni vom Jülicher Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM-9), das gemeinsam mit dem JSC und Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft einen Teil des Screenings durchführt.
Auf Geruch und Geschmack achten
Der Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns kann auf eine COVID-19-Infektion hinweisen. Eine Online-Befragung und ein Online-Riech- und Schmecktest sollen nun helfen, die Symptome dieser Infektion von anderen Atemwegserkrankungen abzugrenzen. An dem Projekt sind über 500 Experten aus 50 Ländern beteiligt, darunter die Jülicher Forscherin Dr. Kathrin Ohla vom Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM-3).
Zur Studie und den Tests:
gcchemosensr.orgPandemie und ihren Verlauf simulieren
Neben der Suche nach wirksamen Behandlungsmethoden geht es darum, den Verlauf und das Ausmaß der Infektionskrankheit, aber auch die Auswirkungen von Gegenmaßnahmen vorherzusagen. Experten um Prof. Thomas Lippert vom Jülich Supercomputing Centre erstellen mit Forschern der Universität Heidelberg und des Frankfurt Institute for Advanced Studies hierfür Prognosen mithilfe mathematischer Modelle sowie aktueller Daten des Robert Koch-Instituts. Erste Ergebnisse und wissenschaftsbasierte Empfehlungen wurden der Politik und der Öffentlichkeit kurz nach Ostern vorgelegt. Die Prognosen werden laufend aktualisiert, zudem arbeiten die Forscher mit Hochdruck an regional differenzierten Modellen.
3 Fragen an …
… Prof. Katrin Amunts, Hirnforscherin am Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM-1) und bis April 2020 stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrats
Der Ethikrat hat in seiner Ad-hoc-Empfehlung Ende März darauf hingewiesen, dass es in der Pandemie auch um einen ethischen Konflikt geht. Um welchen?
Ein dauerhaft hochwertiges, leistungsfähiges Gesundheitssystem muss gesichert und zugleich müssen schwerwiegende Nebenfolgen für Bevölkerung und Gesellschaft durch die Maßnahmen abgewendet oder gemildert werden. Die Situation erfordert eine sorgsame Abwägung der verschiedenen Interessen und die Grundprinzipien von Solidarität und Verantwortung dürfen nicht aus den Augen verloren werden.
Was empfiehlt der Ethikrat?
Gegenwärtig geht es in erster Linie darum, die Ausbreitung des Corona-Virus erheblich zu verlangsamen. Die Angemessenheit und Auswirkungen der Maßnahmen müssen dabei immer wieder neu bewertet werden.
Welche Rolle spielt die Wissenschaft in der Pandemie?
Wissenschaftliche Erkenntnisse sind für die Bewertung von zentraler Bedeutung. Es werden beispielsweise Modelle benötigt, die genaue Vorhersagen über den Verlauf der Pandemie und die Wirkung der einzelnen Maßnahmen ermöglichen, und so die politische Entscheidungsfindung unterstützen.
Texte: Christian Hohlfeld
© 2022 Forschungszentrum Jülich