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Titelthema
Schlaflos in Köln
Titelthema
Schlaflos in Köln
Müde – und nun? Schlafen darf Benjamin Marschner jedenfalls nicht. Die Schlafstudie, an der er teilnimmt, gibt genau vor, wann er ins Bett gehen darf. Marschners Gitarre steht schon seit zwei Tagen ungenutzt in der Ecke – zu müde fühlt sich der 32-Jährige.
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Eine Gitarre, ein karges Zimmer, viel Kaffee und wenig Schlaf – zehn Tage hat der Musiker und Student Benjamin Marschner auf seinen Alltag verzichtet. Herausgekommen ist kein neues Studioalbum, sondern ein Haufen Daten für die Wissenschaft. Jülicher, Kölner und Züricher Forscher untersuchen, was Schlafmangel mit uns anstellt und ob Kaffee hilft, die Müdigkeit zu vertreiben. Ein Besuch im Schlaflabor.
Tag 1
Die Anreise
Müde ist er an diesem grauen Wintermorgen nicht: Im Gegenteil – ausgeruht macht sich Benjamin Marschner auf den Weg ins Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln (DLR). Zehn Tage will er dort an einer Schlafstudie teilnehmen. Mit dabei: sein Laptop und – wie es sich für einen leidenschaftlichen Musiker gehört – die Gitarre. So ganz genau kann sich der 32-Jährige nicht vorstellen, was ihn erwartet – obwohl er umfangreiche Studienrahmenbedingungen bekommen hat: „Es geht im Kern darum, wie sich Schlafmangel auf meine Leistungsfähigkeit auswirkt und welche Rolle Kaffee dabei spielt.“
Bild oben: Müde – und nun? Schlafen darf Benjamin Marschner jedenfalls nicht. Die Schlafstudie, an der er teilnimmt, gibt genau vor, wann er ins Bett gehen darf. Marschners Gitarre steht schon seit zwei Tagen ungenutzt in der Ecke – zu müde fühlt sich der 32-Jährige.
Bereits zwei Wochen vor Studienbeginn durfte Marschner keinen Kaffee und Alkohol mehr trinken, musste neun Stunden am Stück schlafen und vor allem: keine Schokolade mehr essen. „Die fehlt mir am allermeisten“, räumt der Musikstudent ein. Doch nun ist er vor allem neugierig auf sein neues Zuhause. „Ein bisschen Gitarre spielen, vielleicht den einen oder anderen Song schreiben und zwischendurch schlafen“, beschreibt er seine Vorstellung.
Marschner registriert sich am Haupteingang des DLR und geht die zehn Minuten zum Labor zu Fuß über das weitläufige Gelände. „Eigentlich eine schöne Ecke“, denkt er unterwegs und freut sich auf ein paar Spaziergänge in den nächsten Tagen.
Auf einer Erhebung thront schließlich sein Ziel: das futuristisch anmutende Forschungszentrum „envihab“ – viel Glas, noch mehr Weiß. Das Gebäude erinnert eher an ein Raumschiff als an ein Labor. Marschner ist beeindruckt. Am Hintereingang drückt er auf die Klingel. Ein Mitarbeiter öffnet, schüttelt ihm die Hand und grinst fröhlich: „Ich bin Diego, komm doch rein.“ Hinter den beiden fällt die Tür ins Schloss. Erst zehn Tage später wird sie sich für den Musiker wieder öffnen.
Ein Blick in die Unterlagen: Marschner studiert in seinem Zimmer die Aufgaben für die nächsten Tests.
Tag 3
Die Eingewöhnung
Zwei Nächte hat Marschner bereits hinter sich. Sein karges Zimmer strahlt wenig Atmosphäre aus: Klinisch steril, lediglich Bett, Schrank und ein Rechner für die Testversuche finden Platz. „Wir dürfen nur zum Schlafen in die Zimmer“, erklärt Marschner. „Wir“, damit meint er noch eine weitere Studien-Teilnehmerin, mit der er die Tage im deutlich gemütlicheren Aufenthaltsraum verbringt, Monopoly spielt oder Fernsehen guckt. Sport ist nicht erlaubt, genauso wenig wie nervenaufreibende Shooter-Spiele am PC oder unterhaltsame Telefonate mit Freunden – im Prinzip alles, was Müdigkeit verscheucht. Eine Kamera überwacht das Geschehen, selbst ein Nickerchen ist nicht gestattet.
„Es ist schon gewöhnungsbedürftig, die ganze Zeit so kontrolliert den Tag und auch die Nacht zu verbringen – aber das Personal und vor allem meine ,Studieneltern‘ sind supernett“, erzählt Marschner und meint damit das Forscherehepaar Dr. Eva-Maria und Dr. David Elmenhorst. Die Medizinerin forscht am DLR zum Thema Schlaf, ihr Mann, ebenfalls Arzt, hat sich am Jülicher Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM-2) auf Methoden der molekularen Bildgebung spezialisiert. Ihre gemeinsame Schnittmenge ist – außer dass sie verheiratet sind und sich für Schlaf interessieren – ein Positronenemissionstomografie(PET)-Hirnscanner, der im DLR-Schlaflabor steht, aber vom Forschungszentrum Jülich betrieben wird. „Diese Kombination aus Schlaflabor und bildgebenden Verfahren an einem Standort ist weltweit einzigartig“, erklärt David Elmenhorst, „Hirnscans, wie wir sie mithilfe der PET erstellen, helfen uns, die Struktur und Funktion des Gehirns zu erforschen.“ Um die Stoffwechselvorgänge sichtbar zu machen, injiziert er den Studienteilnehmern einen radioaktiv markierten Stoff in die Blutbahn, einen sogenannten Tracer. Dieser sendet etwa zwei Stunden lang eine messbare Strahlung aus und muss daher für jede Untersuchung frisch von Nuklearchemikern am Jülicher Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM-5) hergestellt und zum DLR transportiert werden.
Schlaf – das Wichtigste in Kürze
Je länger wir wach sind, umso höher steigt die Adenosinkonzentration in unserem Gehirn. Als Neuromodulator wirkt Adenosin wie ein Dimmer, der die Nerven von wach auf müde stellt. Das Bedürfnis nach Schlaf entsteht und wächst im Tagesverlauf.
Viele kennen es aus dem Alltag: Nach einer einzigen zu kurzen Nacht fühlen wir uns müde und unkonzentriert. „Die meisten Menschen reagieren ungefähr so wie mit einem Blutalkohol von 0,6 Promille“, erklärt David Elmenhorst.
Erstaunlicherweise reagieren nicht alle Menschen gleich auf Schlafentzug. Die Studien von Eva-Maria und David Elmenhorst belegen: Manche Versuchspersonen zeigten sich selbst nach 52 Stunden Schlafentzug noch konzentriert. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass genetisch bedingte Unterschiede im Adenosinsystem dafür verantwortlich sind: „Bei den kaum beeinträchtigen Personen fanden wir wider Erwarten besonders viele freie Adenosinrezeptoren, an die unser radiomarkierter Ligand binden konnte. Vermutlich produzieren sie weniger Adenosin als empfindliche Personen.“ Langfristig könnten sich daraus Berufsempfehlungen entwickeln, denn für manchen Menschen stellt der Schichtdienst eine besondere Belastung dar.
Ab in die Röhre: Marschner wird in den Tomografen gefahren. Er muss für die nächsten 120 Minuten still liegen, darf aber nicht einschlafen. Der Positronenemissionstomograf (PET) erfasst biochemische und physiologische Vorgänge im Gehirn und liefert so beispielsweise Informationen zur Wirkung von Koffein.
Tag 4
Ruhe vor dem Sturm
Es ist ein kontrollierter Versuchsalltag eingekehrt. Die Beleuchtung liegt maximal bei schummrigen 100 Lux – mehr Licht würde wie ein Muntermacher wirken, diesen Effekt wollen die Forscher jedoch vermeiden. Zum Vergleich: Eine Straßenlaterne hat etwa 10 Lux, ein strahlender Sonnentag kann 100.000 Lux überschreiten. Die beiden Probanden haben die bisherigen Nächte voll verkabelt acht Stunden durchgeschlafen. „Das ist die Eingewöhnungszeit, in der wir sämtliche Daten von unseren ausgeruhten und ausgeschlafenen Probanden erheben, der koffeinfreie Status quo sozusagen, den wir auch mit PET messen“, erklärt Eva-Maria Elmenhorst. Der für die Forschung spannende Teil beginnt, wenn die Probanden mit weniger Schlaf auskommen müssen. Das Forscherpaar untersucht, wie sich Schlafmangel auf unsere Leistungsfähigkeit auswirkt. Eva-Maria Elmenhorst interessiert sich vor allem für Berufsgruppen im Schicht- und Nachtdienst, die besonderen Schlaf- und Erholungsbedingungen ausgesetzt sind: Piloten, Lotsen, Krankenpfleger, Lkw-Fahrer oder Astronauten – immerhin 16 Prozent der Erwerbstätigen arbeiten im Schichtdienst.
Nicht nur wissenschaftlich ein Herz und eine Seele: das Forscherehepaar Dr. Eva-Maria und Dr. David Elmenhorst. Sie forscht am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln, er am Institut für Neurowissenschaften und Medizin des Forschungszentrums Jülich. „Wir wissen, dass diese Art der Arbeit langfristig negative Konsequenzen für die Gesundheit hat“, sagt die Wissenschaftlerin. Das Risiko für Bluthochdruck, Zuckererkrankungen und sogar Krebserkrankungen steigt. Auch ein Zusammenhang mit Depressionen scheint zu existieren.
Außerdem stellen chronisch übermüdete Menschen eine Gefahr für den Straßenverkehr dar: Laut Bundesamt für Statistik werden 2.000 Unfälle pro Jahr, bei denen Personen zu Schaden kommen, durch das Einschlafen des Fahrers verursacht. „Bereits nach einer einzigen schlaflosen Nacht ist das Fahrverhalten so beeinträchtigt wie nach zwei Flaschen Bier“, erklärt die Ärztin ihrem erstaunten Probanden – davon hat Marschner bisher noch nichts gewusst.
Eine zentrale Rolle übernimmt der Botenstoff Adenosin: In verschiedenen Hirnregionen steigt seine Konzentration im Tagesverlauf. Je länger wir wach bleiben, umso höher die Konzentration. Das Adenosin dockt an bestimmte Rezeptoren im Gehirn an und hemmt die Neuronen-Aktivität. „Es wirkt wie ein elektrischer Dimmer, der die Nerven von wach auf müde stellt, wodurch das Bedürfnis nach Schlaf entsteht“, erklärt David Elmenhorst, der genau diese Prozesse mit den Hirnscans untersucht.
1Liter Kaffee trinkt jeder Deutsche pro Jahr – er ist damit unser Lieblingsgetränk
Quelle: Tchibo Kaffeereport 2018
Aber auch Koffein besetzt diese Rezeptoren und verdrängt das Adenosin und in Teilen die Müdigkeit. „Kaffee könnte neben der bekannten kurzzeitigen Leistungssteigerung auch eine chronische Veränderung auf der Rezeptorebene bewirken, zum Beispiel bei der Anzahl der Rezeptoren. Auch das versuchen wir herauszufinden“, so der Forscher. Möglicherweise können regelmäßige Kaffeetrinker mit Schlafmangel besser umgehen und sind weniger anfällig für Leistungseinbußen – die Kaffeestudie mit 40 Probanden soll Aufschluss bringen.
Die Versuchspersonen erhalten ab dem fünften Tag eine exakte Menge an Koffein: drei Tassen am Tag, 300 Milligramm Koffein – zumindest die eine Hälfte der Studienteilnehmer. Die andere Hälfte trinkt koffeinfreien Kaffee. Beide Sorten stellt der Kooperationspartner Institute for the Scientific Information on Coffee (ISIC) bereit, ein Forschungsinstitut der Kaffeeindustrie. Kontrolliert eingesetzt, könnte Koffein sich als Bestandteil von Psychostimulanzien für all jene Berufsgruppen eignen, bei denen Wachsein oberste Priorität hat. „Wir müssten eine Verabreichungsform finden, die lange wirkt – ohne die bekannten Nebenwirkungen wie Herzrasen oder erhöhten Blutdruck“, sagt Elmenhorst.
Für Marschner steht heute noch der erste Hirnscan an. Die Tracer-Lieferung aus Jülich wird bereits mit Spannung erwartet, denn unerwartete Staus haben in der Vergangenheit bisweilen für Aufregung und Verzögerungen gesorgt. Kommt der Tracer zu spät, klappt die pünktliche Messung für den Tag nicht. Doch der Fahrer trifft rechtzeitig ein – die Erleichterung ist dem Ehepaar Elmenhorst anzumerken. Die PET macht sichtbar, wo sich der markierte Stoff im Gehirn an die adenosinfreien Rezeptoren heftet.
„Bei der Vorstellung, dass ich kurzfristig verstrahlt bin, ist mir schon ein bisschen mulmig zumute“, gibt Marschner zu, aber die Wissenschaftler haben ihn ausgiebig über die Nebenwirkungen aufgeklärt, der radioaktive Tracer wird größtenteils über den Urin wieder ausgeschieden. Zwei Stunden muss er ruhig im Scanner liegen und Wahrnehmungs-, Konzentrations- und Merktests beantworten. Noch fühlt der junge Mann sich ausgeruht. Und auch der anstehenden Nacht mit nur fünf Stunden Schlaf sieht er gelassen entgegen – alles wird überstrahlt von der Vorfreude auf den ersten Kaffee nach über drei Wochen Abstinenz am morgigen Vormittag.
Kurzschlaf macht krank
Verschiedene Studien belegen: Kurzschläfer, die regelmäßig weniger als sieben Stunden schlafen, müssen mit Folgen für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit rechnen. Sie besitzen ein 12 Prozent höheres Risiko früher zu sterben. Chronischer Schlafmangel und durchwachte Nächte sind in unserer Gesellschaft aber weit verbreitet, neben Schicht- und Nachtarbeit ist beispielsweise auch Verkehrslärm ein Faktor, der die Schlafqualität und -dauer beeinträchtigt.
Schlafmangel führt zu Fehlzeiten am Arbeitsplatz und zu einem Rückgang der Produktivität, was sich auf die Wirtschaftsleistung eines Landes niederschlägt. Eine Studie von RAND Europe, einem Ableger der kalifornischen Denkfabrik RAND, hat ergeben, dass in Deutschland jährlich 200.000 Arbeitstage verloren gehen, was einer Wirtschaftsleistung von 40 Milliarden Euro oder 1,56 Prozent des Bruttosozialprodukts entspricht.
Bereit für die nächste Mars-Erkundung? Bei dem futuristisch anmutenden Outfit handelt es sich um ein bildgebendes Verfahren ohne Nebenwirkungen: die Wach-Elektroenzephalografie (EEG). Die kleinen Metallplättchen messen Marschners Gehirnströme, die grafisch aufgezeichnet werden. Das Elektroenzephalogramm erlaubt Rückschlüsse auf die Hirnaktivität.
Tag 9
Quälender Schlafentzug
Es ist noch früh am Morgen, als Benjamin Marschner geweckt wird – fünf Nächte in Folge hat er maximal fünf Stunden am Stück geschlafen: „Wir sprechen in solchen Fällen von einem chronischen Schlafmangel“, erklärt David Elmenhorst. Wissenschaftler sind sich inzwischen einig, dass 7 bis 7,5 Stunden die optimale „Schlafdosis“ sind, damit wir konzentriert und gut gelaunt durch den Tag kommen. Marschner ist weder gut gelaunt noch fühlt er sich ausgeschlafen: „Nur nicht aufstehen“, ist sein erster Gedanke. Doch Diego, Doktorand an der Universität Zürich und einer der Mitarbeiter an der Schlafstudie, kennt kein Erbarmen. Marschner fühlt sich gerädert und unkonzentriert. Im Laufe der Woche hat er immer weniger gelesen: „Ich kann mich nur noch visuell ablenken“, erzählt der Kölner – da nützt selbst der Kaffee nichts mehr, von dem er nicht einmal weiß, ob er überhaupt Koffein enthält. Die Gitarre steht seit Tagen unbenutzt im Aufenthaltsraum.
Am Rechner testet Eva-Maria Elmenhorst Marschners Konzentration, Reaktionszeit und sein Arbeitsgedächtnis: Er soll sich an einige zuvor gezeigte Buchstaben erinnern. Und reagieren, wenn sie sich wiederholen. „So lässt sich die aktuelle Leistungsfähigkeit seines Arbeitsgedächtnisses mit der ausgeschlafener Testpersonen vergleichen“, erklärt die Medizinerin.
Ein weiterer Aufmerksamkeitstest, der sehr sensibel verdeutlicht, ob Marschners subjektive Einschätzung der Konzentration mit seiner tatsächlich vorhandenen übereinstimmt, ist der sogenannte Psychomotorische Vigilanztest: Der Student muss sofort einen Knopf drücken, wenn eine Stoppuhr auf dem Bildschirm erscheint – manchmal registriert er die Stoppuhr gar nicht mehr, seine Reaktionszeiten verlangsamen sich messbar. „Während manche übermüdete Menschen extrem unkonzentriert sind und sogar Aussetzer haben, sind bei anderen kaum Leistungsschwächen zu erkennen – die Zusammenhänge im Gehirn müssen wir erst noch verstehen“, so die Fachärztin für Physiologie.
1Stunden Schlaf braucht der Mensch
Das Ehepaar Elmenhorst interessiert sich vor allem dafür, wie sich der maximale chronische Schlafentzug zu diesem Zeitpunkt auf die Anzahl der Adenosinrezeptoren auswirkt: So muss der 32-Jährige erneut 100 Minuten im Hirnscanner still liegen, die ihm inzwischen endlos vorkommen. Immer wieder übermannt ihn fast der Schlaf – wenn da nicht die Stimme der Assistentin wäre, die ihn über die Lautsprecher wach hält: „Ich verwickle die Probanden immer in Gespräche, damit sie nicht einschlafen“, erzählt die medizinisch-technische Assistentin Annette von Waechter – sozusagen zwei Stunden Dauerunterhaltung, ein echte Herausforderung, die sich aber lohnt. Denn die Forscher erfassen in dieser Zeit entscheidende Daten. Die PET-Bilder sollen den Wissenschaftlern verraten, ob sich im Gehirn widerspiegelt, was offensichtlich ist: Marschner braucht dringend Schlaf. Um 23 Uhr darf er endlich für acht Stunden verkabelt ins Reiche der Träume entfliehen.
Tag 10
Heimkehr
Um Punkt sieben Uhr hat es sich ausgeträumt: Marschner wird geweckt. „Ich kann mich nicht mehr an viel erinnern, nur dass ich sofort eingeschlafen bin.“ Heute fühlt er sich ausgeruhter und freut sich auf seinen letzten Tag im Labor. Noch einmal Blut abnehmen, die morgendlichen Tests absolvieren und noch einmal PET – der Ablauf ist für ihn schon Routine. „Wir wollen überprüfen, wie schnell die Werte der Adenosinrezeptoren nach dem Erholungsschlaf auf das Ausgangsniveau zurückfallen – das scheint erstaunlich schnell zu gehen. Das belegen zumindest die bisherigen Studienergebnisse“, so David Elmenhorst. Auch die Konzentrationstests fallen Marschner heute deutlich leichter.
Und dann ist Schluss. Zum Abschied umarmt er seine „Studieneltern“: „Die sind mir richtig ans Herz gewachsen.“ Für die Zukunft hat der Musiker sich vorgenommen, regelmäßiger zu schlafen, um leistungsfähig zu bleiben – und weiter Kaffee zu trinken. Marschner öffnet die Tür nach draußen: Tief einatmen – das erste Mal Frischluft nach zehn Tagen – und endlich wieder Schokolade essen.
Katja Lüers
1Milliarden Euro gehen der deutschen Wirtschaft jedes Jahr durch müde Arbeitnehmer verloren
Schlafmangel mit fatalen Folgen
Cape Canaveral 1986
Challenger
Am 28. Januar 1986 um 11.38 Uhr Ortszeit hebt die Raumfähre „Challenger“ ab. Millionen Fernsehzuschauer verfolgen den Start. 73 Sekunden später explodiert die „Challenger“ in 15 Kilometer Höhe über dem Atlantik. Der Absturz der Raumfähre wurde durch eine Fehlentscheidung mitverursacht, die die Verantwortlichen nach weniger als zwei Stunden Schlaf am frühen Morgen getroffen hatten.
Alaska 1989
Exxon Valdez
Am 24. März 1989 rammt der Öltanker „Exxon Valdez“ gegen Mitternacht vor der Küste Alaskas ein Riff. Mehr als 40 Millionen Liter Öl fließen ins Meer. Die Havarie ereignete sich, nachdem das Schiff nachts die übliche Route verlassen hatte, um Eisbergen auszuweichen. Der Kapitän überließ während des Umweges das Ruder seinem unerfahrenen dritten Offizier. Der übermüdete Offizier versäumte es, das Schiff wieder auf den ursprünglichen Kurs zu bringen.
Fit für die Zukunft
Von außen futuristisch, von innen hochmodern: Das „:envihab“ in Köln hat die Zukunft des Menschen im Visier – auf der Erde und im Weltraum. Der Name der Forschungseinrichtung setzt sich aus „environment“ (englisch: Umwelt) und „habitat“ (lateinisch: Lebensraum) zusammen. Die Anlage des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ermöglicht es, mit verschiedenen Geräten die Folgen von extremen Bedingungen für Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Menschen zu untersuchen. Ein weiteres Beispiel neben Schlafmangel ist die Schwerelosigkeit im All. So wurde etwa der deutsche Astronaut Alexander Gerst nach seiner Rückkehr von der Weltraumstation ISS im „:envihab“ betreut. Forscher des Jülicher Instituts für Neurowissenschaften und Medizin (INM-2) nutzen die Einrichtung im Zuge einer Kooperation mit dem DLR.
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