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Forschung
Bitte anfassen!
Fühlen auf dem Smartphone? Der Touchscreen der Zukunft soll das möglich machen. Der Physiker Bo Persson hat die physikalischen Grundlagen dazu in ein Computermodell gepackt.
Stellen Sie sich vor, Sie könnten beim Online-Einkauf auf Ihrem Smartphone ein Sofa nicht nur sehen, sondern auch den Stoffbezug fühlen. Oder ein Blinder kann einen Text in Blindenschrift auf seinem Touchscreen ertasten. Unternehmen arbeiten daran, solche haptischen Displays serienreif zu machen.
Aber wie kann ein glattes Display plötzlich eine Struktur wie die Blindenschrift fühlbar machen? Mit einem Trick: Den Nervenzellen an unserem Finger wird vorgetäuscht, dass sich die Oberfläche verändert. Der Jülicher Physiker Bo Persson hat sich intensiv mit den physikalischen Grundlagen beschäftigt: Wesentlich sind die Reibungskräfte, die beim Gleiten des Fingers über das Display wirken. Nervenzellen im Finger nehmen winzige Unterschiede in diesen Kräften wie Unebenheiten wahr. Persson hat ein Computermodell entwickelt, das diese Kräfte berechnen kann – die Basis, um zu verstehen, wie sich der Tastsinn beeinflussen lässt. Das Modell sagt beispielsweise voraus, wie sich Reibung und damit das Tastgefühl verändern, wenn etwa der Finger feucht ist oder besonders druckvoll über das Display streicht. „Entscheidend ist zu berücksichtigen, dass die Fingerkuppe nicht glatt ist. Das bedeutet, dass man den Kontakt zwischen Kuppe und Display auf den verschiedensten Längenskalen berücksichtigen muss, vom Nanometer bis zum Millimeter“, sagt Persson.
Bo Persson hat sich auf die physikalischen Grundlagen von Reibung spezialisiert. Reibung spielt auch bei Touchscreens eine wichtige Rolle. Dass Perssons Modell die Interaktion zwischen Finger und Display richtig beschreibt, haben seine Kooperationspartner aus der Türkei nachgewiesen: Deren experimentell gemessene Werte stimmen gut mit den Vorhersagen des Jülicher Physikers überein.
So funktioniert der Tastscreen
Ein haptisches Display besteht aus drei Schichten: Auf einer Glasplatte liegt ein elektrischer Leiter und darüber ein elektrisch isolierendes Material. Der Finger berührt nur die oberste Schicht, den Isolator. Legt man eine elektrische Spannung an die leitende Schicht, sammeln sich am Isolator und am Finger elektrische Ladungen mit entgegengesetztem Vorzeichen (Bild 1). Die Folge: Das Display zieht den Finger elektrostatisch an. Je größer die Spannung ist, desto stärker wird der Finger ans Display gepresst – und umso mehr vergrößert sich die Gleitreibung. Über unterschiedlich hohe Spannungen an verschiedenen Stellen im Display können dem Tastsinn so unterschiedliche Oberflächenstrukturen vorgegaukelt werden.
In allen Fällen ist allerdings ein Trick erforderlich, damit die elektrostatische Anziehung lange genug erhalten bleibt, um sie zu spüren. Bild 1 zeigt daher eine Momentaufnahme. Denn die elektrischen Ladungen von der Fingerkuppe wandern auf die Displayoberfläche und verringern so die Anziehung. Um das zu verhindern, wird die Spannung der leitenden Schicht rund 100 Mal pro Sekunde umgepolt. Das ist so schnell, dass unser Tastsinn diese Umpolung nicht wahrnimmt. Er registriert nur die durchschnittliche Stärke der Spannung.
Bild 1
Bild 2
Gleichzeitig muss eine elektronische Schaltung erfassen, an welcher Stelle der Finger gerade über die Oberfläche gleitet – eine Technik, die auch beim herkömmlichen Smartphone-Display eingesetzt wird. Die Steuerungselektronik variiert dann gezielt an den entsprechenden Stellen die Stärke der Spannung (Bild 2) und simuliert so die gewünschte Oberfläche – vom Sofabezug bis hin zum Text in Blindenschrift.
Dr. Frank Frick
© 2022 Forschungszentrum Jülich